Analyse: Olympia 2018 - Garmisch ist ein fairer Verlierer

Garmisch-Partenkirchen (dpa) - Alle starren gebannt auf die große Leinwand: Slalom-Ass Felix Neureuther genauso wie Skiverbandspräsident Alfons Hörmann und der Garmischer Ski-WM-Frontmann Peter Fischer - und mit ihnen weit mehr als tausend Fans.

Doch als IOC-Präsident Jacques Rogge um 17.18 Uhr im afrikanischen Durban den alles entscheidenden Namen verliest, ist die Enttäuschung in Garmisch-Partenkirchen groß: Olympia 2018 wird nicht in München ausgetragen, sondern in Pyeongchang. Und trotzdem lassen die Menschen in Garmisch Luftballons in den bis dahin sonnigen Himmel steigen - just zur Entscheidung waren dunkle Wolken aufgezogen.

Die Sensation blieb aus. Der südkoreanische Favorit hatte sich bereits im ersten Wahlgang durchgesetzt - und die Garmischer Bürger sind faire Verlierer. Der Moderator auf dem voll besetzten Mohrenplatz gratuliert der Siegerstadt, und viele klatschen Beifall. Die zweimalige Curling-Weltmeisterin Andrea Schöpp sagt: „Es werden sicherlich auch dort schöne Spiele. Vielleicht klappt es dann ja vier Jahre später. Wir müssen uns auch als faire Verlierer zeigen.“ Andere trösten ihre Angehörigen, etliche liegen sich in den Armen. Doch Tränen fließen kaum.

Mit bayerischer Folklore hatte sich Garmisch-Partenkirchen seit dem Morgen auf die Entscheidung eingestimmt. In der Fußgängerzone spielten Alphornbläser auf, im Minutenabstand traten Volksmusikgruppen im Trachtengewand auf. Sportgrößen wie Felix Neureuther warben noch einmal für die Vorzüge des Wintersportortes zu Füßen der Zugspitze. Dort hätten im Falle des Zuschlages die Ski-Wettbewerbe stattgefunden.

Neureuther gestand dem Moderator auf dem Mohrenplatz, den Mittwochmorgen verschlafen zu haben. Nach mehreren Interviews und dem täglichen Training habe er mit seinen Eltern, Christian Neureuther und Rosi Mittermaier, telefoniert. Sie hätten siegesgewiss noch von der emotionalen Münchner Bewerbung geschwärmt. Zu Olympischen Spielen ganz allgemein sagte der Ski-Star: „So was ist für junge Leute das Größte, was man sich vorstellen kann.“

Auch der Garmischer Holzbildhauer York Beermann zog die Blicke der Zuschauer auf sich. Aus einem zehn Zentner schweren Tannenblock schnitzte er das Wetterstein-Gebirgspanorama mit den olympischen Ringen im Vordergrund. „Vermählung mit Olympia“ nennt der - natürlich in eine kurze Lederhose gewandete - Künstler sein mannshohes Gebilde.

Vergessen war auf dem Mohrenplatz der jahrelange, nervenzehrende Kampf um die Olympia-Zustimmung der Garmischer Bürger. Zwar gewann die Initiative „OlympJA“ den Bürgerentscheid am 8. Mai, doch fiel das Votum denkbar knapp aus. Mit der Abstimmung wollten die Gegner erreichen, dass die Gemeinde sämtliche mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) geschlossenen Verträge auf ihre Rechtsgültigkeit hin überprüfen lassen muss.

Der Mitinitiator des „NOlympia“-Begehrens, Axel Doering, blieb der Fete auf dem Mohrenplatz fern. Er und seine Mitstreiter feierten lieber im örtlichen Tierheim. Überglücklich sagte er nur wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Entscheidung: „Der Kelch ist an uns vorübergegangen, Garmisch-Partenkirchen hat in Wirklichkeit gewonnen.“ Doering gratulierte der Siegerstadt, fügte aber hinzu: „Nun ist Pyeongchang in den Fängen des IOC.“