Analyse: Plant Putin Böses in der Ukraine?

Washington (dpa) - Die USA trauen Russland in Sachen Doppelzüngigkeit und Hinterhältigkeit Einiges zu. Mit tiefer Skepsis verfolgt die Regierung die russischen Hilfskonvois für die Ostukraine.

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Niemand in Washington will so recht glauben, dass Kremlchef Wladimir Putin plötzlich sein Herz für die notleidenden Menschen entdeckt hat. Die bange Frage geht um, ob Moskau die Hilfsmission missbraucht, um den ins Hintertreffen geratenen Separatisten unter die Armee zu greifen. Doch zugleich grassiert in Washington Ratlosigkeit: Was tun, wenn Russland tatsächlich militärisch eingreift?

Barack Obama steht unter massiven Druck. Eine russische Intervention, ganz gleich ob offen oder verdeckt - das wäre der Super-GAU für sein Krisenmanagement. Von Beginn der Krise an setzt der US-Präsident darauf, Russland durch diplomatischen Druck, Sanktionen und viel gutes Zureden zur Vernunft zu bringen. Im Hinterkopf steht die Hoffnung: Zum Schlimmsten, zu einer russischen Intervention, werde es schon nicht kommen. „Deeskalation“ hieß das Zauberwort, ein militärisches Eingreifen der USA steht außerhalb jeder Debatte.

Doch irgendwann ist der Gesprächsfaden zwischen Obama und Putin abgerissen. In der ersten Krisenphase sprachen Beide noch häufig miteinander, doch solche Kontakte sind jetzt rar geworden. Gibt es nichts mehr zu sagen, ist das Tischtuch zerrissen?

Für Richard Haass, Präsident des Think Tanks Council on Foreign Relations, hat die Strategie der USA, auf ein Nachgeben oder Zurückweichen Putins zu setzen, einen großen Haken. „Putin hat zu viel investiert in sein Tun, als dass er einfach aufgeben könnte. Wenn er das tun würde, brächte er seine eigene Zukunft in Gefahr.“ Haass spricht gar von „Vorbereitungen für eine Invasion“.

Der zweite Haken jeder US-Strategie: Washington ist in anderen Weltkrisen dringend auf die Unterstützung Moskaus angewiesen. Ob Iran, Syrien oder Nordkorea - ohne die Zustimmung der UN-Vetomacht Russlands geht gar nichts. Im Klartext: Obama sind die Hände gebunden, „Beruhigung der Lage“, so Haass, heißt das oberste Ziel.

Tatsächlich argwöhnen die USA bereits seit geraumer Zeit, dass Moskau Schlimmes im Kopf hat. Immer wieder warnen Pentagon und State Department vor der bedenklichen Massierung russischer Truppen entlang der ukrainischen Grenze. Die könnten praktisch sofort zuschlagen, die Vorwarnzeit ginge praktisch gegen null, so das Pentagon.

Nicht zufällig hat wohl Obama einen Tag vor dem Aufbruch der ersten russischen Hilfsmission den ukrainischen Präsident Petro Poroschenko ins Gebet genommen. „Jede russische Intervention in der Ukraine“ ohne ausdrückliches Ja-Wort Kiews sei nicht hinzunehmen und verletze internationales Recht.

Eines steht fest: Eine erneute außenpolitische Schlappe kann sich Obama kaum leisten. Ob das Vorrücken der Terrormilizen im Irak, das anhaltende Blutvergießen in Syrien, das Chaos in Libyen - es läuft nicht gut für den Präsidenten. Schon beim mutmaßlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ostukraine forderten die Republikaner scharfes Vorgehen. Der einflussreiche Senator John McCain verlangte US-Waffenlieferungen an Kiew - alles andere sei „Feigheit“.