Analyse: Rösler verspricht FDP bessere Zeiten
Rostock (dpa) - Ein stolzer Vater, Freudentränen bei der Ehefrau und ein großer Blumenstrauß vom Vorgänger: Trotzdem wirkt Philipp Rösler noch etwas unsicher auf der blau-gelben Bühne des FDP-Parteitags in Rostock.
Dabei hat der neue Chef - gemessen am Zustand seiner Partei - soeben ein Traumergebnis eingefahren: 95,1 Prozent. Mehr bekam Guido Westerwelle nur ein einziges Mal, in seinem besten Jahr 2009 (95,8 Prozent).
Nach einem der härtesten Machtkämpfe in ihrer jüngeren Geschichte vollzieht die FDP am Freitagabend den Machtwechsel fast reibungslos. Gelitten und gestritten ist genug. Und Rösler verspricht den 660 Delegierten bessere Zeiten: „Ab jetzt, ab heute, geht der Wiederaufstieg der Freien Demokraten endlich los.“
Zuvor allerdings war nochmals Vergangenheitsbewältigung angesagt - mit Westerwelle als Hauptperson. Keiner weiß genau, wie viele Reden er in seinen zehn Jahren als FDP-Chef gehalten hat. Aber ein paar Sätze sind dann doch in Erinnerung geblieben. Wie zum Beispiel der, mit dem er gleich zu Beginn, im Mai 2001, seinen Führungsanspruch deutlich machte: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der die Sache regelt. Und das bin ich.“
Zum Abschied, mit gerade mal 49 Jahren, zitiert er sich nun selbst. Und fügt, ganz zum Schluss, nur noch drei Wörter hinzu: „... jetzt nicht mehr.“ Das ist sein Einverständnis, dass von nun an ein anderer die Partei führt. Der Außenminister verspricht auch, dass er dem elf Jahre Jüngeren nicht ins Handwerk pfuschen will. Also kein „Nebenvizekanzler“, der sich mit dem eigenen Machtverlust nicht abfinden will.
Sieben Minuten lang dauert am Ende der Applaus. Viele Delegierte erheben sich von ihren Stühlen - auch Westerwelles Ehemann Michael Mronz, der die Rede in der ersten Reihe verfolgt hat. Bei ihm selbst stellen einige Tränen in den Augen fest. Also eigentlich ein Abschied, wie es sich gehört.
Aber man muss nicht besonders genau hinschauen, um zu erkennen, dass eine stattliche Anzahl Delegierter jeden Beifall verweigert. In einigen Landesverbänden - wie Hessen oder Berlin - werden in diesen sieben Minuten die Parteitagsunterlagen besonders intensiv gelesen oder E-Mails gecheckt.
Das liegt auch daran, dass Westerwelle gegenüber seinen Kritikern keinerlei neue Zugeständnisse machte, sondern eher im Allgemeinen blieb. „Wer so lange eine Partei führt, der macht auch Fehler“, gab er zu. „Ich stehe zu jedem Fehler, und ich entschuldige mich auch für jeden Fehler.“ Alles in allem habe die FDP unter seiner Führung aber „mehr richtig als falsch gemacht“.
Das Eingeständnis reicht aus, um eine offene Abrechnung zu verhindern. Auch die Sorge, dass es in Rostock zu einer größeren Debatte darüber kommen könnte, ob Westerwelle als Außenminister weitermachen darf, erweist sich als überflüssig.
Vom Nachfolger bekommt er ein Geschenk, für das die Kollegen im Präsidium gesammelt haben: eine kleine Bronzeplastik des Rostocker Bildhauers Michael Jastram namens „Europa und der Stier“. Das passt ganz gut für den Nur-Noch-Außenminister, der sich in den nächsten Monaten viel um Europa kümmern muss.
Die erste Reise ohne den alten Posten geht aber zunächst einmal nach Marokko. Westerwelle nimmt dort an einer Tagung über die Revolutionsbewegung in Nordafrika teil. Abflug ist am Sonntagmorgen. Nicht einmal das Ende des Parteitags wartet der jetzt ehemalige FDP-Chef ab. Das gab es in den letzten zehn Jahren nie.