Analyse: Sarkozys letzte Redeschlacht?
Paris (dpa) - Mäßige Regierungsbilanz, durchwachsene Umfragewerte und ein siegesgewisser Kontrahent: Mit dem Mut der Verzweiflung stürzte sich Nicolas Sarkozy in die große Redeschlacht vor der Stichwahl am Sonntag.
Es könnte seine letzte Chance gewesen sein, und allem Anschein nach hat er sie nicht genutzt.
Am Morgen nach dem TV-Duell sind sich die meisten Beobachter in Frankreich einig: Den für die Trendwende notwendigen Befreiungsschlag schaffte Sarkozy nicht. Ein K.o.-Sieg wäre aber nötig gewesen, um noch bis zur Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag an seinem in allen Umfragen führenden Kontrahenten François Hollande vorbeizuziehen. Doch die meisten Medien sahen nur ein Patt - zu wenig für die Trendumkehr.
„Ich glaube nicht, dass die gestrige Debatte etwas geändert hat„, meinte auch die Ultranationalistin Marine Le Pen. Sie bescheinigte damit dem Sarkozy-Herausforderer Hollande indirekt, sein ihm lange anhängendes Weichei-Image beim erfolgreichen Üben der präsidialen Pose abgestreift zu haben. Das Lob ist nicht ganz uneigennützig. Le Pen setzt auf eine Niederlage Sarkozys, um bei einem Zerfall von dessen UMP-Partei das Vakuum im konservativen Lager auszufüllen.
Dabei war Sarkozy direkt vom Start in die Offensive gegangen. Um aus der Tiefe seines Popularitätstiefs zu kommen versuchte er, Hollande in die Ecke des braven Musterschülers zu stellen, dem jegliches politisches Gewicht fehlt. „Das ist klassisch, was er gesagt hat“, eröffnete er die knapp dreistündige hitzige Redeschlacht. Später hielt er ihm nicht nur Lügen, sondern auch zu viel Durchschnittlichkeit vor. „Ihre Normalität ist den Herausforderungen nicht gewachsen“, ätzte Sarkozy.
Von Demagogie und Inkompetenz war die Rede. Nicht nur wegen der Klimaanlage herrschte eine eisige Atmosphäre im kleinen TV-Studio, in dem sich die Kontrahenten mit zwei moderierenden Journalisten an der Seite gegenübersaßen. Es war ein erbittertes Duell des „Ich oder das Chaos“ gegen „Die Wende jetzt“. Hollande zeigte sich beim erbitterten Schlagabtausch überraschend souverän, konterte schlagfertig, parierte erfolgreich und mitunter gewitzt und ging selbst in die Offensive.
Immer wieder steuerte Hollande das Gespräch auf Sarkozys Regierungsbilanz, die aus seiner Sicht eher miserabel ausfällt. Etwas ratlos versuchte Sarkozy seinerseits neue Frontalangriffe. Inhaltlich fiel dabei nichts Neues ab - es geht vor allem um die Pose, die Geste und den Eindruck. Die Kandidaten zogen alle Register, knallten sich Zahlen um die Ohren und scheuten weder vor Polemik noch Provokation zurück. Wichtig war die Macht der Bilder, die die noch Unentschlossenen überzeugen sollte.
Sympathie und Stil standen vor einem Millionenpublikum auf dem Prüfstand. Rein äußerlich trennte die gleichaltrigen Kandidaten am Mittwochabend wenig. Beide kamen staatsmännisch in dunklem Anzug und unauffälliger Krawatte daher.
Sarkozy versuchte sich am Tag danach dennoch in Optimismus. Im RTL-Interview erklärte er: „Wer sagen kann, dass sich eine Debatte vor vielleicht 20 Millionen TV-Zuschauern ohne jegliche Bedeutung abspielt, muss verrückt sein.“ Vor fünf Jahre hatte er die Bedeutung der TV-Debatte allerdings noch ganz anders eingestuft: „Ich glaube nicht, dass die Franzosen nur nach dem Eindruck einer zweistündigen Debatte einen Präsidenten für fünf Jahre wählen“, sagte er damals zum TV-Duell mit Hollandes damaliger Lebensgefährtin, der sozialistischen Spitzenkandidatin Ségolène Royal.