Analyse: Schmale Kost für Merkels Bündnis
Berlin (dpa) - Mit dem Wahlausgang an der deutschen Ostseeküste muss Schwarz-Gelb im Bund wieder eine bittere Pille schlucken. Und für die FDP sieht es nicht nach Genesung bis zur nächsten Wahl in zwei Wochen in Berlin aus.
Das dürfte neue Rücktrittsspekulationen anheizen.
Der große Verlierer heißt wieder FDP. Dahinter kommt aber gleich die CDU. Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist für die schwarz-gelbe Koalition im Bund ein weiterer schwerer Dämpfer in diesem Superwahljahr 2011. Die FDP scheitert zum vierten Mal in diesem Jahr an der Fünf-Prozent-Hürde. Der CDU-Landesverband von Bundesparteichefin und Kanzlerin Angela Merkel fährt sein bisher schlechtestes Landtagswahlergebnis ein. Die CDU könnte nun zum dritten Mal in diesem Jahr aus der Regierung fliegen.
Das liegt ganz an dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und strahlenden Sieger Erwin Sellering, der nach den Ergebnissen vom Sonntagabend die freie Wahl hat, ob er die große Koalition fortsetzt oder ein Bündnis mit der Linkspartei schmiedet. Sellering bringt die SPD an der deutschen Ostseeküste mit starken Zuwächsen weit über den Trend der Bundespartei. Die sieht sich damit aber weiter im Aufwind.
Rot-Rot dürfte viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern kaum erschüttern. Der als pragmatisch geltende Spitzenkandidat der Linken, Helmut Holter, war schon acht Jahre Arbeitsminister - in dem vom damaligen SPD-Ministerpräsidenten Harald Ringstorff gebildeten ersten rot-roten Bündnis bundesweit.
Jubeln können wieder die Grünen. Mit ihrem Erfolg auch bei dieser Wahl sind sie nun erstmals in ihrer Parteiengeschichte in allen 16 Landtagen vertreten.
Für die demokratischen Parteien gleichermaßen eine Niederlage: Die rechtsextreme NPD bleibt den Hochrechnungen zufolge im Landtag.
Die siebte und letzte Wahl in diesem Superwahljahr ist in zwei Wochen: die Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Auch dort wird der FDP ein Scheitern vorhergesagt wie schon in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Bremen und jetzt Mecklenburg-Vorpommern. Sogar in ihrem Stammland Baden-Württemberg stürzte sie von 10,7 auf 5,3 Prozent. Nur bei der Neuwahl in Hamburg war es umgekehrt. Dort zog die FDP nach siebenjähriger Abstinenz in die Bürgerschaft ein.
Es halten sich Spekulationen, Guido Westerwelle, der auf Druck seiner Partei bereits den Posten des FDP-Chefs und des Vizekanzlers abgeben musste, werde auch noch als Außenminister zurücktreten.
Schadlos dürfte sich aber auch der neue FDP-Chef Philipp Rösler nicht halten. Er hatte bei seinem Amtsantritt im Mai versprochen, die FDP werde nun „liefern“. Daran wird er jetzt gemessen. Ein Rücktritt Westerwelles könnte als Bauernopfer aufgefasst werden, was Röslers Sympathiewerte nicht steigern müsste. Auch in Ländern und Kommunen verstehen Parteianhänger von CDU und FDP nicht, warum Rösler das von Westerwelle „totgerittene Pferd“ der Steuersenkungen wieder bestiegen hat. Denn nach Angaben von Haushaltsexperten ist nicht genügend Spielraum im Etat, um die Menschen spürbar zu entlasten.
Ein weiterer Rücktritt im Kabinett Merkel würde zwar von den extrem schwierigen Beratungen im Bundestag über die geplanten Hilfen zur Euro-Rettung und Bewältigung der Schuldenkrise in Europa ablenken. Doch der Eindruck, dass diese christlich-liberale Koalition einfach nicht in ruhiges Fahrwasser kommen kann, würde sich weiter verfestigen. Auf die Frage, ob die CDU sich langsam nach einem neuen Koalitionspartner für 2013 umsehen müsse, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU): „Wir fühlen uns in der Pflicht, dass wir zusammenstehen.“
Die Schlappe des CDU-Verbandes in Mecklenburg-Vorpommern mit ihrem Vorsitzenden, Landesinnenminister Lorenz Caffier, möchte die Bundespartei nicht auf ihre Kappe nehmen. Der Juniorpartner einer großen Koalition habe es immer schwerer - das habe auch die SPD 2009 im Bund erlebt. Enttäuschung ja, aber die Umfragen für die Union im Bund seien besser, sagt Altmaier.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner schiebt die Gründe für das Debakel noch auf die Zeit vor Rösler. Es sei klar gewesen, dass es eine Zeit dauern werde, bis die FDP wieder Vertrauen gewinne. Jetzt werde sie sich den Aufgaben mit „neuer Disziplin“ stellen und ihre „Brot- und Butter-Themen“ vorantreiben. Das seien ein „harter Euro, stabile Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze“. Nun also Brot und Butter. Bei der Bundestagswahl 2009 war es noch Champagner. Damals kam die FDP auf 14,6 Prozent - mit Westerwelle.