Analyse: Sein oder Nichtsein im Schuldendrama
Brüssel (dpa) - Sind die Griechen im Schuldenstreit eingeknickt? Vor Dienstag wird das niemand mit Sicherheit sagen können. Bis dahin soll den Europartnern eine Reformliste vorliegen. Sie könnte wieder für Streit sorgen.
Griechenland hat im Streit um seine Schulden bei den Europartnern viel Vertrauen verspielt. Wird nach der Grundsatzeinigung von Brüssel alles besser? Drei Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte, im Überblick:
1. Die griechische Regierung erfüllt die Forderungen der Geldgeber und legt an diesem Montag eine akzeptable Liste mit Reform- und Sparplänen vor. Das aktuelle Hilfsprogramm wird daraufhin bis Ende Juni verlängert. Auch Überprüfungen in den nächsten Monaten verlaufen positiv.
FOLGE wäre wohl ein großes Aufatmen an den Finanzmärkten und in der Politik. Die Verlängerung des Hilfsprogramms sichert Griechenland weitere Kredite. Ein Staatsbankrott ist zumindest vorerst kein Thema mehr. Es könnte in aller Ruhe über ein Folgeprogramm verhandelt werden. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras könnte jedoch unter Druck geraten, weil sie teure Wahlversprechen nicht halten kann.
2. Die griechische Regierung interpretiert die Einigung vom Freitag anders als die Geldgeber und legt eine inakzeptable Liste mit Reform- und Sparplänen vor. Die Verhandlungen müssen wieder aufgenommen werden.
FOLGE wäre ein weiterer Vertrauensverlust der Geldgeber in die griechische Regierung - wenn das überhaupt noch möglich ist. Eventuell würde es einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs geben müssen. Das hatten die Griechen bereits im Vorfeld des Eurogruppen-Treffens für den Fall eines Scheiterns gefordert.
3. Die griechische Regierung überlegt es sich doch noch einmal anders und erklärt die Verhandlungen für gescheitert. Wenn es dann keine Zugeständnisse der Europartner mehr gibt, gehen beide Seiten den Weg in eine äußert ungewisse Zukunft. Ein Staatsbankrott innerhalb weniger Wochen, vielleicht sogar ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone - alles wäre dann möglich.
Im Fall einer STAATSPLEITE würde die griechische Regierung vermutlich versuchen zu erreichen, dass die Geldgeber auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Die Regierung von Tsipras hätte aber noch deutlich weniger politischen und finanziellen Handlungsspielraum als jetzt.
Sollte sich das Land für den Ausstieg aus der Eurozone („Grexit“) und für die Rückkehr zur Drachme entscheiden, könnte die neue Währung das Land zwar wettbewerbsfähiger machen. Weil die neue Währung sofort massiv an Wert zum Euro und auch zum Dollar verlieren würde, würden allerdings Importe - und auch die bisherigen Schulden - deutlich teurer.
Die Griechen würden vorher aber wohl noch intensiver als schon jetzt ihre Euroguthaben abheben. Das könnte das griechische Bankensystem in die Knie zwingen. Die neue Währung würde Importe und damit auch das Leben der Griechen deutlich verteuern. Im schlimmsten Fall könnte Athen keine Sozialleistungen, Renten und Beamtengehälter mehr bezahlen. Neue Bürgerproteste wären vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Alle, die Athen Geld geliehen haben, müssten weitere milliardenschwere Ausfälle verbuchen. Unternehmensbilanzen und die Haushalte defizitärer Euroländer würden zusätzlich belastet. Die Ratingagentur Standard & Poor's geht allerdings davon aus, dass der Ausstieg die Eurozone nur in einem verkraftbaren Umfang belasten würde.