Analyse: Sicherheitskonferenz wird zur Syrien-Konferenz
München (dpa) - Mehr als 30 Staats- und Regierungschefs stehen in diesem Jahr auf der Gästeliste der Münchner Sicherheitskonferenz. Einer, den Konferenzchef Wolfgang Ischinger gerne dabei gehabt hätte, fehlt aber: Wladimir Putin.
Der russische Präsident war vor neun Jahren mit einer gegen die Nato und die USA gerichteten Brandrede in die Annalen des weltweit wichtigsten sicherheitspolitischen Forums eingegangen.
Seitdem ist er der Konferenz ferngeblieben. Auch in diesem Jahr schickt er nur den zweiten Mann im Staat, Regierungschef Dmitri Medwedew. Darin könnte aber auch eine Chance liegen. Medwedew komme ausdrücklich als Vertreter Putins zu der an diesem Freitag beginnenden Konferenz, sagt Ischinger.
Im Gegensatz zum Präsidenten ist der Regierungschef nicht für scharfe Reden bekannt. „Die Entscheidung, Medwedew zu schicken, könnte man als Friedensangebot Putins verstehen“, heißt es in Diplomatenkreisen.
Die Rede Medwedews am Samstag wird also einer der Höhepunkte der Sicherheitskonferenz sein. Es wird vor allem darum gehen, was er zu Syrien sagt. Den Ton dafür gibt die Konferenz der Syrien-Unterstützergruppe vor, die für Donnerstagabend angesetzt war. Zu den 20 Mitgliedern der Gruppe gehören alle Staaten mit einer Schlüsselrolle in dem Konflikt. Neben Russland sind das vor allem die USA, Saudi-Arabien, Iran und die Türkei.
Die Außenminister dieser fünf Länder werden ihre Diskussionen am Wochenende auf offener Bühne im Luxushotel Bayerischer Hof weiterführen. Die zwei entscheidenden Fragen sind: Wie kann die humanitäre Lage für die Menschen in belagerten Gebieten verbessert werden? Und welche Wege gibt es zu einem Waffenstillstand? An Fortschritten in diesen Punkten hängt die Fortsetzung der Genfer Friedensgespräche zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und den Oppositionsgruppen ab, die Anfang Februar nach nur wenigen Tagen abgebrochen wurden.
Die schockierenden Nachrichten über die russischen Bombardements der Region Aleppo und Zehntausende Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei lassen nichts Gutes erahnen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier setzt dennoch darauf, dass die Gewalt zumindest gebremst wird. „Wie soll es möglich sein, am Verhandlungstisch nach Kompromissen zu suchen, während gleichzeitig bei Aleppo und anderswo mit immer größerer Brutalität Krieg geführt wird?“
Syrien wird also das alles beherrschende Thema in München sein. Aber was ist mit den zahlreichen anderen Krisen? Im vergangenen Jahr stand die Ukraine ganz oben auf der Agenda. In München wurden die Weichen für den Krisengipfel in Minsk gestellt, bei dem sich Russland und die Ukraine unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs auf ein Friedensabkommen verständigten.
Es jährt sich am Freitag pünktlich zum Auftakt der Sicherheitskonferenz zum ersten Mal. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird in München eine Bilanz ziehen, die ernüchternd ausfallen dürfte. In der Ostukraine konnten die erbitterten Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen immer noch nicht beendet werden.
Ischinger hofft, dass man in München auch an dieser Stelle weiterkommt. Syrien werde sich wie ein roter Faden durch die Konferenz ziehen, sagt er. „Ich möchte aber vermeiden, dass die anderen wichtigen Fragen - von der Ukraine über die Terrorismus-Bekämpfung bis zur Nuklearpolitik Nordkoreas - unter den Tisch fallen.“ Die Sicherheitskonferenz könne zwar keine Beschlüsse fassen. „Was sie aber sehr gut kann, ist Impulse setzen, weil sie nicht damit befrachtet ist, stundenlang Communiqués zu verfassen.“