Analyse: Späte Reaktion auf Rüstungspannen

Berlin (dpa) - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte sich die zurückliegende Woche wohl ganz anders vorgestellt. Eigentlich wollte die CDU-Politikerin die Bundeswehr als handlungsfähige und hilfsbereite Armee präsentieren.

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Auf ihren Aufruf zum freiwilligen Einsatz in den Ebola-Gebieten Westafrikas meldeten sich innerhalb von drei Tagen mehr als 3000 Bundeswehrangehörige. Und mit der ersten Waffenlieferung in den Irak beteiligt sich Deutschland jetzt auch militärisch am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Doch davon redet jetzt kaum noch jemand. Stattdessen geht es darum, inwieweit die Bundeswehr überhaupt noch einsatzfähig ist. Eine am Mittwoch veröffentlichte Liste zum Zustand der Bundeswehr-Ausrüstung bietet ein verheerendes Bild. Danach sind von 190 Hubschraubern der Bundeswehr nur 41 einsatzfähig, und von 198 Kampfjets nur 80. Auch bei Panzern und Schiffen gibt es massive Ausfälle.

Von der Leyen schwieg zunächst dazu. In der Sitzung des Verteidigungsausschusses ließ sie Generalinspekteur Volker Wieker und die Inspekteure der Teilstreitkräfte den Zustand der Ausrüstung alleine erklären. Erst am Wochenende meldet sich die Oberbefehlshaberin nach einer fünfstündigen Krisensitzung mit ihren Generälen in der „Bild am Sonntag“ öffentlich zu Wort.

„Dass die Bundeswehr mit dem Wort „Schrott“ in Verbindung gebracht wird, tut mir richtig weh“, sagt sie. Aber die Ministerin muss auch einräumen, dass die Truppe momentan ihre Selbstverpflichtung gegenüber der Nato nicht vollständig erfüllen kann. Luftwaffe und Marine sind nicht in der Lage, im Alarmfall in 180 Tagen so viele Flugzeuge und Hubschrauber zu schicken, wie vor einem Jahr gemeldet.

In der Nato dürfte das auf wenig Verständnis stoßen. Deutschland steht im Bündnis ohnehin schon massiv unter Druck, weil es bei den Verteidigungsausgaben das 1997 gemeinsam gesetzte Ziel verfehlt. Statt der vorgesehenen zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt werden für die Bundeswehr nur 1,3 Prozent bereitgestellt. Damit liegt Deutschland weit hinter den USA (4,4 Prozent), Großbritannien (2,4) und Frankreich (1,9).

Geld ist aber nicht das einzige Problem von der Leyens. Die Modernisierung der Bundeswehrausrüstung ist ins Stocken geraten, weil sich fast alle wichtigen Rüstungsprojekte verzögern. Betroffen sind vor allem die Luftfahrzeuge. So sollte der Kampfhubschrauber „Tiger“ im Dezember 2002 voll funktionsfähig ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010.

Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Als er dann im November 2013 geliefert wurde, war er immer noch nicht ganz funktionstüchtig.

Besonders schmerzt, dass die Produktion des Transportflugzeugs A400M vier Jahre im Verzug ist. Deswegen muss die Bundeswehr noch über Jahre mit bis zu 50 Jahre alten Transall-Maschinen fliegen, die zudem nicht in der Lage sind, große Ladungen wie jetzt den Waffentransport in den Irak zu bewältigen.

Zum Stand der größten Rüstungsprojekte wird die Unternehmensberatung KPMG am 6. Oktober einen Bericht vorlegen. Von der Leyen wollte mit der Entscheidung für eine externe Prüfung und der gleichzeitigen Entlassung des Rüstungsstaatssekretärs Stéphane Beemelmans vor einem halben Jahr Stärke beweisen. Jetzt ist sie bei ihrer schwierigsten Aufgabe trotzdem in die Defensive geraten. Noch kann sie sich darauf zurückziehen, dass die Probleme nicht in ihrer Amtszeit entstanden.

Nach Vorlage des Prüfberichts muss sie aber schnell Lösungen bieten. Denn die Debatte über Konsequenzen aus dem schlechten Ausrüstungszustand ist längst entbrannt.

Aus der Union kommen bereits Forderungen nach der Erhöhung der Wehretats. Die SPD fordert dagegen eine Überarbeitung der Bundeswehrreform. Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ - also von allem ein bisschen - lässt sich nach Ansicht des Verteidigungsexperten Rainer Arnold bei der Ausrüstung nicht mehr halten.

Von der Leyen deutete am Wochenende an, welchen Weg sie gehen will. Die Lücke bei den Transportflugzeugen könne kurzfristig mit Anmietungen geschlossen werden, sagt sie. Mittelfristig will sie aber mehr Geld für Ersatzteile, Reparatur und Beschaffung von Rüstungsgütern haben. „Das wird sich absehbar auch im Etat niederschlagen.“