Analyse: Spur von Bonn führt in die Islamistenszene
Bonn/Köln (dpa) - Bewiesen ist noch nichts, aber wer die einzelnen Informationen aneinanderreiht, glaubt einen Terror-Plot zu erkennen: Bombenalarm im Bonner Hauptbahnhof, Pulver in einer abgestellten Tasche, Festnahme eines bekannten Bonner Islamisten.
Vielleicht sind Bahnreisende am Montag einem Anschlag entgangen. Nun wird über einen terroristischen Hintergrund spekuliert. Die Polizei warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen.
Bei dem nun festgenommenen Bonner Omar D. handelt es sich nach Informationen mehrerer Medien um denselben Mann, der 2008 zusammen mit seinem Freund Abdirazak B. aus einem startbereiten Flugzeug auf dem Flughafen Köln-Bonn abgeführt worden war.
Damals war berichtet worden, Omar D. und Abdirazak B. hätten über Amsterdam nach Pakistan fliegen wollen, um sich dort in einem Terrorcamp ausbilden zu lassen. Das Landeskriminalamt bestätigte seinerzeit, dass die Verdächtigen im Alter von 24 und 23 Jahren Abschiedsbriefe hinterlegt hätten. Sie stünden im Verdacht, sich am „Dschihad“ („Heiligen Krieg“) und an Anschlägen beteiligen zu wollen.
Doch die Behörden hatten die Beweislage zu optimistisch eingeschätzt: Nach elf Tagen wurden Omar D. und Abdirazak B. wieder freigelassen, und eineinhalb Jahre später stellte die Bonner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen sie ein.
Diese Erfahrung dürfte mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass sich die Polizei am Dienstag mit Informationen zurückhielt. Aus Polizeikreisen hieß es, man verfolge viele Spuren. Eine Festnahme müsse nicht bedeuten, dass man sich schon sicher sei, den Täter zu haben.
Die blaue Tasche von Gleis 1 gibt den Ermittlern außerdem Rätsel auf. Denn sie enthielt zwar zündfähiges Material in Form von Pulver, jedoch keinen Zünder. Und „ohne Zünder macht's nicht Bumm“, brachte es ein Kölner Polizeisprecher auf den Punkt.
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warb um Verständnis für die zurückhaltende Informationspolitik: „Ich weiß, dass das im Krimi viel schneller geht. In der Realität muss man schon genauer untersuchen, bevor man mit Informationen an die Öffentlichkeit geht.“
Fest steht, dass Bonn seit längerem für seine Islamistenszene bekannt ist. Noch im Oktober wurde ein Salafist vor dem Landgericht wegen Messerattacken zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Der 26 Jahre alte Mann hatte sich am 5. Mai an einer Demonstration gegen die rechtsextreme Splitterpartei „Pro NRW“ beteiligt und dabei zwei Polizisten schwer verletzt. Der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff sagte zu ihm: „Hoffentlich ist jedem deutlich geworden, dass Sie der Prototyp eines Fanatikers sind!“
Gewaltbereite Extremisten gibt es also in Bonn. Ob sie aber ernsthaft einen Anschlag geplant haben und wenn ja, wie professionell sie dabei vorgegangen sind - das muss die Polizei noch herausfinden.