Analyse: Super Wahljahr für Grüne und SPD

Berlin (dpa) - Das Superwahljahr 2011 ist bisher ein super Wahljahr für die Grünen - aber fast noch mehr für die SPD.

In Hamburg löste sie Schwarz-Grün mit einer Alleinregierung ab, in Sachsen-Anhalt blieb sie in der Regierung mit der CDU, in Rheinland-Pfalz übernahm Kurt Beck das Ministerpräsidenten-Amt zum fünften Mal in Folge - mit Hilfe der Grünen. In Baden-Württemberg kam die SPD in die Regierung zurück - unter Führung der Grünen. Und nun hat sie ihre Hochburg Bremen zum 18. Mal in Folge gesichert.

SPD-Chef Sigmar Gabriel will da am Wahlabend von Problemen der Sozialdemokraten nichts hören. Er gibt sich siegesgewiss für die Bundestagswahl 2013. Für die CDU von Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht es erneut düster aus. „Eine starke CDU kann wieder Dampf machen und muss hier wieder Dampf machen“, hatte Merkel im Bremer Wahlkampf ihren Zuhörern zugerufen.

Zwar wird in der Parteizentrale in Berlin dem Zwei-Städte-Staat keine herausragende politische Bedeutung zugemessen. Dennoch ist das Abrutschen der Christdemokraten auf den dritten Platz hinter SPD und Grünen in Bremen nun ein schmerzhafter Dämpfer. Auf diesem Rang im Parteiengefüge der alten Bundesländer kennt man die CDU nicht.

Das sei eine „schmerzhafte Niederlage“, sagt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Ein „bitteres Ergebnis“, nennt es die Bremer CDU- Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann. In Berlin sprechen Politiker der Opposition und Beobachter inzwischen öfter als je zuvor vom Anfang des Endes der Ära Merkel.

Allerdings hatten viele erwartet, dass die CDU-Vorsitzende bereits mit dem Verlust der Macht in Baden-Württemberg massiven Widerstand in ihrer Partei erleben wird. Aber dieser See ruht still. Und auch der Unmut in den eigenen Reihen über als Fehler empfundene Reaktionen der Kanzlerin - etwa ihre „Freude“ über die Tötung von Osama bin Laden - hält sich in Grenzen. Merkel bleibe klar Partei- und Regierungschefin, heißt es in ihrem Umfeld.

Dem neuen FDP-Chef Philipp Rösler verpatzt die Halbierung der Wählerstimmen und damit der Rauswurf aus der Bremer Bürgerschaft sozusagen den Kaltstart in die verbleibenden Wahlen in diesem Jahr. Nun kann er noch bei den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im September seine Ankündigung wahrmachen, dass seine Partei wieder „liefern“ werde. Mit Bremen fliegt die FDP in diesem Jahr bei bisher fünf Wahlen bereits zum dritten Mal aus einem Landesparlament. Zuvor scheiterte sie in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt.

Die Linke ist mit ihrem erstmaligen Wiedereinzug in ein westdeutsches Landesparlament nach einer vollen Wahlperiode trotz kleiner Einbußen hoch zufrieden. Die Partei ist froh, dass sich die Querelen um ihre Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst offenkundig nicht auf den Wahlkampf in Bremen ausgewirkt haben.

Die grün-rote Sensation in Baden-Württemberg hatte schon Gedankenspiele in Bremen befördert, in denen Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert theoretisch als neue Regierungschefin an der Weser gehandelt wurde - in einer Koalition mit der CDU. Die Finanzsenatorin hatte das schon vor der Wahl als abwegig abgetan und keck in die Kamera gesagt, im nächsten Leben könnte sie auch Prinzessin werden.

Nun wird sie sich in dem rot-grünen Bündnis unter Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) vermutlich weiter ums Geld - und 18 Milliarden Euro Schulden - kümmern. Und feiern: den bundesweiten Höhenflug ihrer Partei, seitdem es in Japan zu einer Nukklearkatastrophe kam und in Deutschland selbst Atomkraftbefürworter bis hin zur Kanzlerin den Ausstieg für sich entdeckten, den Grünen das Thema aber nicht streitig machen konnten.

Wörtlich genommen regiert in Bremen künftig eine große Koalition, weil SPD und Grüne die beiden stärksten Parteien geworden sind. Die althergebrachte Bezeichnung eines Bündnisses aus SPD und CDU (oder umgekehrt) als große Koalition könne schon lange nicht mehr gelten, mahnen Politiker in Ostdeutschland. Hier ist die Linke oft zweitstärkste Kraft.