Die AfD feiert Deutschlands Denkzettel-Partei im Freudentaumel
Berlin (dpa) „Wir werden die Regierung vor uns her treiben“, ruft AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland. Und dass sie Deutschland verändern wollen. Seine Parteifreunde jubeln. Sie rufen „Gauland, Gauland“ und singen die deutsche Nationalhymne.
Konfetti, Freudentränen, Luftsprünge - Fehlanzeige. Das ist nicht der Stil der AfD.
Als Neuling mit einem zweistelligen Wahlergebnis in den Bundestag einzuziehen - das hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch keine Partei geschafft. Den Grünen gelang der Sprung ins Parlament 1983 mit 5,6 Prozent.
Gauland, der ehemalige CDU-Staatssekretär aus Hessen, ist kein ausgelassener Typ. Der 76-Jährige freut sich darauf, seine frühere Partei demnächst im Bundestag zu quälen. Es ist seine späte Rache dafür, dass die Parteiführung um Angela Merkel seine Ideen für eine rechtskonservative Erneuerung der Partei damals nicht haben wollte. Während die anderen AfD-ler Luftballons in den Parteifarben durch den Saal werfen, mahnt Gauland, man solle jetzt trotz der großen Freude, vor den Kameras „bitte keine Sprüche, die uns später auf die Füße fallen können“, klopfen. Denn da draußen seien viele, die nur darauf aus seien, die AfD in irgendwelche „rechte Ecken“ zu stellen. Dass es neben den mehr oder weniger bürgerlichen Protestwählern auch Menschen aus eben diesen „rechten Ecken“ gibt, die sich der AfD verbunden fühlen, verschweigt er.
Für ihre Wahlparty hat sich die AfD einen Berliner Club am Alexanderplatz ausgesucht, der vom Look her an die Zeiten erinnert, als solche Tanzlokale noch „Diskothek“ hießen. „Die Gäste, die hier normalerweise tanzen, sind im Schnitt über 40“, sagt die junge Frau hinter der Garderobe. Das passt. Schließlich ist die AfD eine Retro-Partei, die gerne die „gute alte Zeit“ beschwört.
Draußen vor dem Gebäude demonstrieren AfD-Gegner mit Trillerpfeifen. Sie rufen: „AfD, Rassistenpack“. Drinnen auf der Bühne steht Partei-Vize Beatrix von Storch neben Gauland. Auch sie wird demnächst im Bundestag sitzen.
Die zwei anderen Frontfrauen der AfD kommen später. Spitzenkandidatin Alice Weidel wird von ihren Parteifreunden herzlich begrüßt, aber nicht so überschwänglich wie zuvor Gauland. Parteichefin Frauke Petry lässt sich länger Zeit.
Für sie ist das kein einfacher Tag. Die Parteichefin hatte auf die Spitzenkandidatur verzichtet. Jetzt haben andere ein Ergebnis eingefahren, von dem die Partei vor zwei Jahren nur träumen konnte. In so einer Situation wird es für sie schwer sein, sich für den Fraktionsvorsitz oder für die Wahl der neuen Parteispitze im Dezember in Stellung zu bringen. Weidel sagt am Abend, sie wolle die AfD gemeinsam mit Gauland in den Bundestag führen. Der AfD-Chef im Kieler Landtag, Jörg Nobis, findet es normal, dass die Spitzenkandidaten den Fraktionsvorsitz für sich beanspruchen. Das will er aber nicht als Illoyalität gegenüber Petry verstanden wissen. Er sagt: „Ich hoffe, dass sie auch wieder in den neuen Bundesvorstand kommt oder Bundesvorsitzende bleibt.“
Schwierig werden die kommenden Wochen für die Politiker der etablierten Parteien. Sie werden sich an eine neue Stimmung im Bundestag gewöhnen müssen, an Tabubrüche und vielleicht auch an Störmanöver. Das zeigen die Erfahrungen mit der AfD in 13 Landesparlamenten.
Wer sich davon aus der Fassung bringen lässt, hat im Prinzip schon verloren. Denn nichts stärkt den inneren Zusammenhalt dieser von Richtungskämpfen und Personalquerelen gebeutelten Partei so sehr wie Angriffe von außen.
Das zeigen auch die Reaktionen auf die Ergebnisse der anderen Parteien. Das CDU/CSU-Ergebnis quittieren die Besucher der AfD-Wahlparty mit Freude. Das schwache Abschneiden der SPD entfacht Begeisterungsstürme. „Eine gute Nachricht für Martin Schulz - die SPD bleibt zweistellig“, witzelt ein AfD-ler. Dröhnendes Gelächter.
Ein anderer Besucher der AfD-Wahlparty freut sich lieber leise. Thor Kunkel war der Kreativkopf hinter der Wahlkampagne der AfD. Er werde jetzt wieder zurück nach Hause fahren in die Schweiz: „Mission accomplished“ - Mission Bundestag erfüllt.