Thomas Müller stand ratlos im Strafraum und trottete am traurigen Ende seines letzten Königsklassen-Abends im legendären San Siro mit versteinerter Miene zu den mitgereisten Fans. Die Champions-League-Karriere des 35-Jährigen im Trikot des FC Bayern München endete mit einem enttäuschenden 2:2 (0:0) bei Inter Mailand schon im Viertelfinale statt erst im „Finale dahoam“.
„So emotional fühle ich das gerade gar nicht. Ich bin auch gar nicht so enttäuscht. Ich bewerte Spiele für mich selber: habe ich alles gegeben, kann ich in den Spiegel schauen? Hat die Mannschaft alles gegeben, können wir in den Spiegel schauen?“, sagte Müller bei DAZN. „Man kann überall alles sezieren, am Ende habe ich Spieler auf dem Platz gesehen, die alles gegeben haben.“
Nach dem Tor von Harry Kane (52. Minute) sah es kurz so aus, als ob der deutsche Fußball-Rekordmeister die 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel wettmachen könnte. Inter-Kapitän Lautaro Martinez (58.) und der ehemalige Münchner Benjamin Pavard (61.) schlugen jedoch nach zwei Eckbällen gnadenlos zurück. Der erste Königsklassen-Treffer von Eric Dier (76.) änderte nichts mehr. Statt der Bayern trifft nun der italienische Meister im Halbfinale auf den FC Barcelona mit dem ehemaligen Bundestrainer Hansi Flick.
Im 163. und letzten Königsklassen-Spiel von Müller im Bayern-Trikot fehlte dem Bundesliga-Tabellenführer der Punch, zumindest eine Verlängerung zu erzwingen. Nach dem internationalen K.o. bleibt dem bis zum Schlusspfiff anrennenden Team von Trainer Vincent Kompany nun alleine die Chance auf die Rückkehr der Meisterschale nach München.
Müller wie Messi
Richtig laut wurde es im legendären San Siro bereits vor dem Anpfiff bei der Verkündung der Bayern-Aufstellung. Die Tifosi quittierten diese mit Pfiffen - und erreichten beim Namen Müller den höchsten Dezibelwert. Mehr Respekt konnte man der Bayern-Ikone kaum zollen.
Der 35-Jährige wurde von Trainer Vincent Kompany in die Startelf beordert, identisch mit der beim 2:2 gegen Dortmund am Samstag. Für Müller war es der 163. Einsatz in der Königsklasse, womit er mit Weltstar Lionel Messi gleichzog. Mit 183 Spielen liegt Cristiano Ronaldo auf Platz eins vor Spaniens Ex-Nationaltorhüter Iker Casillas (177).
Eberl und die „perfekte Leistung“
An der Stätte des Champions-League-Triumphs von 2001 sah Sportchef Max Eberl aber nicht nur Müller in der Pflicht, um das 1:2 aus dem Hinspiel zu drehen und das von Karl-Heinz Rummenigge geforderte „kleine Wunder“ zu schaffen. „Wunder, was auch immer - wir müssen eine perfekte Leistung auf den Platz bringen“, sagte der 51-Jährige. Man habe Zeit, das Tor zu erzielen.
Diese wollte sich Michael Olise nicht nehmen. Schon in der dritten Minute kam der formstarke Franzose im Strafraum zum Abschluss - doch sein Schlenzer wurde vom Ex-Bayern Benjamin Pavard geblockt. Bayern presste hoch, was Inter vor Probleme stellte. Den Abschluss von Müller (6.) aus der Drehung hielt Yann Sommer jedoch souverän. Gleiches galt für Bayern-Keeper Jonas Urbig (9.) beim ersten Inter-Abschluss durch Federico Dimarco, dem einzigen Startelf-Neuen im Vergleich zum Hinspiel.
Olise vergibt Großchance
Inter hatte mit der Flexibilität der Bayern zunächst zu kämpfen und nach elf Minuten gab es den ersten großen Müller-Moment. Der Kapitän eroberte den Ball, bediente den in den Strafraum laufenden Olise mit einem punktgenauen Chip-Pass - doch der Franzose brauchte zu lange und wurde Alessandro Bastoni entscheidend gestört.
Die Bayern verloren in der Folge jedoch ihre Aktivität ein wenig, in der Phase kam Inter zur ersten großen Möglichkeit. Einen Dimarco-Freistoß von der linken Seite verpasste Marcus Thuram (29.) wenige Meter vor dem Tor nur um Zentimeter. In der Endphase des ersten Abschnitts fingen sich die Bayern wieder, kamen zu einigen Abschlüssen, die aber nicht zwingend genug waren.
Die Inter-Abwehr zeigte, warum man in den elf bisherigen Königsklassen-Spielen der Saison erst drei Gegentore kassierte. Mindestens ein Fuß war immer dazwischen.
Kane trifft einmal, Inter doppelt
Doch dann kam Kane aus dem Nichts. Der englische Nationalspieler erhielt den Ball an der Ecke des Fünfmeterraums, guckte Dimarco aus - und zog trocken ab. Sommer war ohne Chance und Kane verbuchte sein elftes Champions-League-Tor im 13. Spiel dieser Saison. Vier Minuten später tauchte Müller frei am zweiten Pfosten auf, doch vergab die große Chance auf das zweite Tor.
Dafür schlug Inter zu. Nach einer Ecke springt der Ball von Kimmich unglücklich zu Martinez, der zog direkt ab und traf wie schon im Hinspiel. Nur drei Minuten später das gleiche Spiel. Ecke Inter, Tor Inter. Diesmal war Pavard per Kopf zur Stelle - die Bayern standen mit dem Rücken zur Wand.
Kurz nach einer vergebenen Chance von Olise (75.) macht Dier den Bayern mit seinem ersten Champions-League-Tor Hoffnung. Der Verteidiger kam nach einer Flanke von Serge Gnabry am zweiten Pfosten zum Kopfball und traf aus unmöglichem Winkel. Zur Verlängerung reichte es aber trotz einer Müller-Chance in der Nachspielzeit nicht mehr.
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