Analyse: Wagnis NPD-Verbot
Rostock (dpa) - Das Gezerre der Länder um ein neues NPD-Verbotsverfahren hat ein Ende. Die Innenminister der Länder sagten bei ihrem Treffen in Rostock-Warnemünde einmütig Ja zu einem neuen Anlauf.
Die Ministerpräsidenten dürften sich der Empfehlung anschließen.
Notfalls wollen die Länder allein - ohne Bundesregierung und Bundestag - vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe ziehen. Fraglich ist aber, ob sich der Bund dem Druck durch den Vorstoß entziehen kann. So oder so ist das Vorhaben riskant.
Die Debatten bis zum Treffen in Warnemünde waren schwierig. Einige Länder zierten sich bis zuletzt. Davon wollen die Innenminister nach ihren Beratungen nicht mehr reden. Die Belege gegen die rechtsextreme Partei seien fundiert, die Aussichten auf einen Erfolg groß, erklären die Ressortchefs nach ihrem Treffen. Hessen und das Saarland wollten ihre Bedenken aber schriftlich niedergelegt haben. Gemeinsam mit dem größten Zweifler, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), setzten sie eine Protokollnotiz durch, in der sie noch einmal auf die Risiken verweisen.
Friedrich tut das auch vor den Kameras, zählt die juristischen und politischen Gefahren auf, die ein Verbotsverfahren birgt, schiebt aber nach: „Nach meinem Dafürhalten ist die Chance, dass wir gewinnen, größer als dass wir verlieren.“ Um eine klare Positionierung drückt er sich allerdings erfolgreich. Weder ein Ja noch ein Nein kommt von Friedrich. Es ist unklar, ob Bundesregierung und Bundestag bei dem Verfahren mitziehen. Friedrich betont, es gebe nun mal keinen Automatismus, dass alle Verfassungsorgane nach Karlsruhe gehen müssten, wenn einer voranschreite.
2003 war ein erster Anlauf für ein NPD-Verbot krachend vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Der Grund: Auch in der Führungsebene der Partei waren Informanten des Verfassungsschutzes tätig. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung waren damals übereilt nach Karlsruhe gezogen, hatten handwerkliche Fehler gemacht und wurden dafür von den Richtern abgestraft. Vor einem zweiten Desaster dieser Art haben viele Angst.
Diesmal sei aber alles anders, versichern die Länder-Ressortchefs. Es gebe keine V-Leute mehr in der NPD-Führung. Die Belege gegen die Partei seien sorgfältig zusammengetragen - und kämen ganz ohne V-Mann-Informationen aus. Nur war bislang keiner der Innenminister bereit, selbst zu bezeugen, dass das Material keine Hinweise dieser Quellen enthält. Das werde vor dem Verfassungsgericht passieren, versprechen sie. Trotzdem bleiben Zweifel an der Tauglichkeit des Materials: Sind die Belege nicht „sauber“, droht eine zweite Klatsche in Karlsruhe.
Auch anderswo lauern Gefahren: Der Nachweis, dass eine Partei keinen Platz in der politischen Landschaft hat, ist extrem schwierig. Für ein Parteiverbot wäre in Karlsruhe außerdem eine Zweidrittelmehrheit nötig. Bis 2015 scheiden am zuständigen Senat allerdings zwei Richter aus. Je nachdem, wie lange das Verfahren dauert, könnte es also eng werden.
Schwer einzuschätzen ist auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, vor den die NPD im Fall eines Verbots ziehen könnte. Die Straßburger Richter legen noch strengere Kriterien an als ihre Kollegen in Karlsruhe.
Und dann wäre da noch das politische Risiko: Missglückt auch der Verbotsversuch Nummer zwei, wäre die NPD dadurch enorm aufgewertet. Die Partei nutzt die Debatte bereits jetzt für sich: Am Morgen des Ministertreffens bitte die rechtsextreme Partei 120 Kilometer entfernt von Warnemünde - in dem Örtchen Pampow bei Schwerin - zur Pressekonferenz. Dort verkünden die oberen Parteifunktionäre vorauseilend, dass sie längst mit einem neuen Verbotsantrag rechnen. Nur Aussichten auf Erfolg habe der nicht.
Ein paar Stunden später stehen die führenden Köpfe der NPD mit rund 50 Parteianhängern im eisigen Wind neben dem Tagungshotel der Minister und wettern fahnenschwenkend gegen die Verbotspläne.
Auftritte wie diese könnten in den kommenden Monaten und Jahren eines Verfahrens öfter vorkommen. Das befürchtet auch Friedrich: Es bestehe die Gefahr, „eine Partei, die klar auf dem absteigenden Ast ist, möglicherweise durch so einen Antrag wiederzubeleben“.