Fragen & Antworten: NPD-Verbotsantrag birgt viele Risiken
Karlsruhe/Berlin (dpa) - 2003 scheiterte ein erster Versuch, die rechtsextreme NPD zu verbieten. An diesem Donnerstag wollen die Ministerpräsidenten der Länder über einen neuen Anlauf entscheiden. Dabei gibt es viele Unwägbarkeiten und Fallstricke.
Wer kann einen Antrag stellen?
Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung können in Karlsruhe beantragen, die Verfassungswidrigkeit einer Partei festzustellen. Derzeit sieht es so aus, als ob die Länder über den Bundesrat tätig werden; aus Bundesregierung und Bundestag sind eher skeptische Stimmen zu hören. Der Bundesrat könnte ein Verfahren mit einfacher Mehrheit anstoßen. Die Länder werden sich aber um eine gemeinsame Linie bemühen. Die NPD hat im November selbst einen Antrag in Karlsruhe gestellt - sie will vom Gericht feststellen lassen, dass sie nicht gegen die Verfassung verstößt. Ein solcher Antrag ist allerdings im Gesetz nicht vorgesehen; viele Experten halten ihn für unzulässig.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Sollten sich die Ministerpräsidenten der Länder wie erwartet an diesem Donnerstag für einen neuen Anlauf entscheiden, könnte der Bundesrat noch in seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause - am 14. Dezember - darüber beraten. Ob das Bundeskabinett sich noch vor dem Jahresende damit befassen würde, ist fraglich. Wahrscheinlicher wäre es, dass Kabinett und Bundestag das Thema erst zum Jahresbeginn auf die Tagesordnung setzen. Bis der Antrag in Karlsruhe eingereicht werden könnte, dürfte es Frühjahr werden.
Wie läuft ein Parteiverbotsverfahren ab?
Formal gibt es beim Bundesverfassungsgericht zunächst ein Vorverfahren, in dem die NPD sich zu den Vorwürfen äußern kann. Erst dann entscheiden die Richter, ob sie das Hauptverfahren eröffnen. Dann würde in einer mündlichen Verhandlung erörtert, ob die Vorwürfe greifen. Die Beweisaufnahme könnte mehrere Tage dauern. Eine Gesamtdauer für das Verfahren abzuschätzen, ist schwierig. Experten rechnen mit anderthalb bis zwei Jahren.
Was sind die Kriterien für ein Verbot?
In der Geschichte der Bundesrepublik hat das Verfassungsgericht nur zwei Parteien verboten: 1952 die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands. Nach den damals aufgestellten Kriterien kann eine Partei verboten werden, wenn sie die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt - unter anderem die Achtung vor den Menschenrechten, Gewaltenteilung und das Mehrparteienprinzip. Hinzukommen muss „eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“. Experten erwarten aber, dass das Gericht die Kriterien der 50er Jahre weiterentwickelt.
Was wird der NPD vorgeworfen?
Der rechtsextremen Partei wird vorgehalten, sie missachte die universelle Menschenwürde, lehne das Mehrparteiensystem ab und vertrete rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Positionen. Die NPD habe sich außerdem für Gruppierungen mit Gewaltpotenzial geöffnet und betreibe gezielte Propaganda. Experten bezweifeln, dass sich der NPD direkte Verbindungen zur Terrorzelle NSU nachweisen lassen. Insgesamt haben Bund und Länder auf etwa 1000 Seiten 2649 Belege zusammengetragen, die die NPD belasten, darunter Reden, Pressemitteilungen oder Publikationen von Parteifunktionären.
Woran ist der erste Anlauf gescheitert - und was ist diesmal anders?
Der erste Versuch missglückte, weil Informanten des Verfassungsschutzes bis in die Führungsebene der rechtsextremen Partei tätig waren. Das soll diesmal anders sein: Bund und Länder versichern, dass alle V-Leute in der NPD-Führung schon vor Monaten „abgeschaltet“ wurden, also nicht mehr für den Verfassungsschutz aktiv sind. In der Materialsammlung sollen sich keine Informationen dieser Spitzel finden. Die Innenminister der Länder waren bislang aber nicht bereit, das selbst zu bestätigen - wie von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangt. Einige schicken stattdessen ihre Verfassungsschutzchefs vor. Es bleiben deshalb Zweifel, ob das Problem tatsächlich ausgeräumt ist.
Was sind die Risiken für ein Verfahren?
Sollten sich die Belege gegen die NPD doch auf Informationen von V-Leuten stützen, ist ein Scheitern zu befürchten. Aber auch mit einer „sauberen“ Materialsammlung bleiben Risiken. Ein Problem: Was kann man der NPD zurechnen? Verfassungsfeindliche Bestrebungen einzelner Parteianhänger reichen nicht aus. So dürften die einzelnen Kontakte von NPD-Mitgliedern zur rechtsextremen Terrorzelle NSU nicht für ein Verbot der Partei genügen. Außerdem könnte sich die NPD im Falle eines Verbots immer noch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Die Straßburger Richter haben relativ strenge Anforderungen an Parteiverbote. Politisch wird befürchtet, dass ein Verfahren der NPD neue Aufmerksamkeit und Zuspruch bescheren könnte.
Was passiert, wenn ein Verbotsantrag scheitert?
Politisch wäre es eine Blamage; die NPD dürfte eine Ablehnung als Persilschein interpretieren. „Vor allem aber halte ich die faktischen Folgen für verheerend“, meint der Rechtswissenschaftler Günter Frankenberg, der den Bundestag im ersten Verbotsverfahren vertreten hatte. „Dort, wo die NPD Andersdenkende terrorisiert, könnte künftig die Polizei sagen: Was die machen, ist legal.“