Analyse: Was will Rösler anders machen als Westerwelle?

Berlin (dpa) - Keine programmatische Revolution, aber deutliche neue Akzente: Dafür will der designierte FDP-Chef Philipp Rösler stehen. Die FDP müsse „die Alltagswirklichkeit der Menschen verbessern“ ist sein Motto.

Dazu muss die FDP ihr Programm gründlich entrümpeln. Schon der nächste Parteitag Mitte Mai in Rostock soll dazu nach den Vorstellungen der neuen FDP-Spitzenleute beitragen. Mehr noch als die neuen Führungspersonen werden die neuen Inhalte zeigen, in welche Richtung die FDP nach Guido Westerwelle gehen wird.

Auch für die Koalition von Angela Merkel (CDU) könnten damit unruhigere Zeiten anbrechen. Denn eines ist sicher: „Der Neue“ muss rasch zeigen, dass er für die FDP das Sagen hat. Auf folgenden Themen-Feldern wird der Streit ausgetragen:

ATOM: FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat - sicherlich in Absprache mit Rösler - bereits die Wende von der früheren „Atom-Partei FDP“ zur „schnellen AKW-Ausstiegspartei“ verkündet: Alle vorübergehend stillgelegten Kraftwerke sollen dauerhaft abgeschaltet bleiben. Die FDP soll in der Koalition die Meinungsführerschaft bei der Energie-Wende übernehmen. Dieser abrupte Schwenk hat die Energie-Traditionalisten in der Partei bereits aufgeschreckt. Allen voran Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der in der Regierung auch für neue Technologien zuständig ist.

BILDUNG: Auf diesem Feld wird sich das Profil der FDP vermutlich am stärksten verändern. Die Reformer wollen dem Bund wieder mehr Kompetenzen in der Schulpolitik geben, die in der Föderalismusreform gerade voll und ganz den Ländern übertragen worden waren. Das dreigliedrige Schulsystem ist ebenso kein Tabu wie eine stärkere Zentralisierung des Abiturs. Hier werden schon bald die härtesten Auseinandersetzungen mit den FDP-Landespolitikern und der Union erwartet.

STEUERN: Das bisherige Haupt-Thema der FDP („Mehr Netto vom Brutto“) wird deutlich weniger Gewicht haben als bisher. Zwar wird die FDP weiter gegen gegen die kalte Progression zulasten des Mittelstands wettern. Der Kurs zur Konsolidierung des Haushalts soll aber absolut Vorrang haben. Das Reizthema Hotel-Steuer-Geschenke würden Rösler und Lindner lieber heute als morgen wieder abräumen. „Es ist nur noch eine Frage der Übergangsregelung“, heißt es.

ARBEITSMARKT: Auch auf diesem Feld will die Reform-FDP mit Tabus brechen. Der ständige Widerstand gegen Mindestlöhne mache keinen Sinn mehr. Selbst die Arbeitgeber-Verbände in den verschiedenen Berufsbranchen argumentierten inzwischen für Lohnuntergrenzen. Sie seien flächendeckend inzwischen weitgehend Realität, argumentieren die FDP-Erneurer.

MINISTERIEN: Zur Analyse der Fehler der Westerwelle-Partei gehört auch die Übernahme des Entwicklungsministeriums, das die FDP eigentlich immer abschaffen und dem Außenministerium zuschlagen wollte. Der zuständige Minister Dirk Niebel mache zwar einen ordentlichen Job, Erfolge für das Image der Partei bringe das aber nicht, lautet die bisherige Bilanz. Dass die FDP jetzt Kanzlerin Angela Merkel davon überzeugen kann, kurzfristig ein Ministerium ihres Kabinetts einfach dicht zu machen, glaubt allerdings auch Rösler nicht.