Analyse: Wenn der Hammer fällt in Doha

Doha (dpa) - Es ist schwer zu verstehen, warum Klimagipfel trotz zwei Wochen Verhandlungen oft wenig bewegen - und eher vor dem Scheitern stehen. Doch eines ist meist sicher: ein furioses Finale. Einmalig war das von Doha - Umweltminister Altmaier ist froh, dass er noch lebt.

Auch der Langmut von Abdullah bin Hamad Al-Attiyah kennt seine Grenzen. „Ich habe viel Zeit. Ich kann hier ein Jahr mit Ihnen sitzen“, hatte er noch am Freitag das Plenum der 194 Staaten beim UN-Klimagipfel in Doha wissen lassen. Doch dann wurde es Abend und wieder Morgen und wieder Abend. Seine Kompromissvorschläge drohten von Einzelinteressen zerrieben zu werden. Als schon ein Aus für die Verlängerung des Kyoto-Protokolls drohte, weil Russland blockierte, holte Al-Attiyah den sprichwörtlichen Hammer raus.

Die Delegierten wurden am Samstagabend damit überrumpelt. In Rekordgeschwindigkeit wehrte er ein Scheitern von Doha ab. Klack, Verlängerung des Kyoto-Protokolls bis 2020. Klack, Arbeitsprogramm für den nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls geplanten Weltklimavertrag angenommen. Klack, Zusagen für Klimaschutzhilfen in Milliardenhöhe beschlossen. Begleitet jeweils von dem Satz: „Das ist jetzt so entschieden.“ Kurzes Staunen im Plenum, dann donnernder Applaus. Nur Russland war mehr als verärgert, denn es hatte bis zuletzt gegen Kyoto II opponiert. Das hatte mit heißer Luft zu tun - doch der Reihe nach.

Heiße Luft ist für Umweltschützer auch das auf recht eigenwillige Weise abgesegnete Doha-Paket - denn es sind Lösungen auf Sparflamme, die nach Meinung des Klimaexperten Jan Kowalzig von Oxfam die Welt auf einem Vier-Grad-Kurs halten, statt die Emissionen so zu senken, dass die Erwärmung auf noch beherrschbare zwei Grad begrenzt werden kann. Zudem sind die Finanzzusagen äußerst vage. „Es ist unfassbar, wie die Regierungen auf diesen Klimakonferenzen vor allem versuchen, nicht den Klimawandel, sondern den Klimaschutz zu vermeiden - auf Kosten der Menschen in den armen Ländern, deren Ernten vertrocknen oder von den Feldern gespült werden“, meinte Kowalzig.

In Kyoto II werden nun erstmal nur Verpflichtungen fortgeführt, die die EU und die zehn weiteren noch mitmachenden Staaten ohnehin schon eingegangen sind. Ein Schritt nach vorn wäre, das EU-Ziel von 20 Prozent weniger Emissionen bis 2020 auf 30 Prozent anzuheben. Alle Staaten, die sich nicht für ein Kyoto II verpflichten (über 150), können bis zu einem Weltklimavertrag weitermachen wie bisher.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will dafür nun weiter für die 30 Prozent kämpfen - dafür muss er erstmal in Deutschland die FDP gewinnen und dann noch das Kohleland Polen. Nach einem für ihn schweren Start in die Konferenz - Umweltschützer werfen ihm schlechte Vorbereitung und das Schüren falscher Erwartungen vor - fand er in Al-Attiyah einen Freund.

Auf der Titelseite einer katarischen Zeitung prangte am Samstag groß ein Handschlag der Beiden. Viele zeigten sich enttäuscht: Katar war zwar ein perfekter Gastgeber - das Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf hielt es aber nicht für geboten, außer ein paar neuen Solaranlagen mit klaren Minderungszielen Dynamik in das zähe Ringen zu bringen. Als nicht mehr viel ging, bestimmte Al-Attiyah Altmaier zum Chefunterhändler für einen der entscheidenden Stränge: Im „Beichtstuhlverfahren“ musste Altmaier die Wünsche von vom Untergang bedrohten Inselstaaten und den klimaschutzkritischen USA unter einen Hut bekommen. Nach dem Ende einer der längsten Klimagipfel sagte der von Schlafmangel gezeichnete Minister: „Ich lebe noch.“

Doch ein Problem dürfte die erwähnte heiße Luft bleiben. Russland musste laut dem ersten Kyoto-Protokoll im Vergleich zu 1990 seine Treibhausgase nicht reduzieren. Da die Emissionen jedoch durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch mit dem Ende des Ostblocks um 30 Prozent gesunken waren, sammelten sich erhebliche Überschüsse an. Auch Polen oder der Ukraine ging es so. Insgesamt stehen noch rund 13 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zum Verkauf - das ist ein Drittel der Menge, die die Welt 2011 in die Atmosphäre gepustet hat.

Da anders als von vielen gewünscht, die heiße Luft nicht eliminiert werden konnte - aber gegen den Wunsch Russlands auch nur unter Auflagen gehandelt werden darf, droht ein Nullsummenspiel. Greenpeace fürchtet, dass die USA und China die CO2-Boni nach 2020 kräftig einkaufen könnten, um zu Hause durch einen Weltklimavertrag bei der Begrenzung der Emissionen nicht zu sehr geknebelt zu werden. Zumindest bei der zweiten Kyoto-Periode soll es hier keinen Kuhhandel geben. „Es haben sich praktisch alle Länder verpflichtet, diese Zertifikate nicht zu kaufen“, betonte Altmaier.

Doha dürfte noch einmal die Frage verschärfen, wie effizient solche Konferenzen sind, zumal die unterschiedlichen Stränge der Klimadiplomatie mittlerweile so komplex sind, dass es am Ende kaum noch möglich ist, ein Paket daraus zu formen, das alle zufriedenstellt. Daher kommen dann wie in Katar mehr als 24-stündige Verlängerungen heraus bei anhaltender Gefahr, trotzdem zu scheitern. Es sei denn, jemand holt zum richtigen Zeitpunkt den Hammer raus.