Analyse: Wie geht es weiter in Rom?
Rom (dpa) - Die Angst sitzt dem hoch verschuldeten Italien im Nacken.
Nach einer Frontalaktion der Finanzmärkte, bei der die Rendite für richtungsweisende italienische Staatsanleihen die kritische Sieben-Prozent-Marke zeitweilig überschritt, muss schnell eine Lösung für das „Dopo Silvo Berlusconi“ gefunden werden. Also für die Zeit nach dem angekündigten Rücktritt des gescheiterten Regierungschefs. Verstärkte Unsicherheit kann sich das Land jetzt nicht länger leisten: Seine Haushaltspolitik steht inzwischen unter der Aufsicht sowohl des Internationalen Währungsfonds (IWF) als auch der EU. Seine Reformpläne gelten Fachleuten als verspätet.
„Wenn wir nicht jetzt handeln, enden wir wie Griechenland“, formulierte es die Chefin des Industrieverbandes, Emma Marcegaglia. Was nun also? Am Donnerstag kristallisierte sich in Politik und Medien der Wirtschaftsfachmann Mario Monti als ein möglicher Hoffnungsträger heraus. Nachdem Staatspräsident Giorgio Napolitano ihn am Vorabend zum Senator auf Lebenszeit ernannte, gilt er als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Berlusconis.
Die Bildung einer italienischen Übergangsregierung könnte damit wahrscheinlicher sein als ein vorgezogener Gang zu den Urnen mitten in der schweren Krise. Selbst Berlusconi habe in einer nächtlichen Krisensitzung zugegeben, dass Neuwahlen das Letzte seien, was das hoch verschuldete Italien jetzt gebrauchen könne, heißt es.
Zuvor hatte Berlusconi ein „governo tecnico“, eine von einem „Technokraten“ geführte Regierung, stets abgelehnt. In einem Telegramm an den neuen Senator auf Lebenszeit wünschte er Monti dann jedoch „eine erfolgreiche Arbeit im Interesse des Landes“. Ein positives Zeichen der Zustimmung? Beileibe nicht alle im Mitte-Rechts-Lager sehen das so.
Die Lega Nord, Juniorpartner in Berlusconis Regierungskoalition, will jedenfalls weiterhin Neuwahlen und droht mit dem Gang in die Opposition, sollte ein „Technokrat“ Ministerpräsident werden. Und Berlusconis Partei PdL (Volk der Freiheit) erscheint in der Frage tief gespalten: Während sich Arbeits- und Sozialminister Maurizio Sacconi gegen eine von der linken Opposition gestützte Notregierung aussprach, will der Außenminister und Parteikollege Franco Frattini jetzt keine Neuwahlen, wo es doch darum gehe, „Italien zu retten.“ Also berief Berlusconi noch einmal seine Vertrauten zu Beratungen zusammen, denn die Partei schien vor einer Zerreißprobe zu stehen.
Klarheit herrscht damit also bei weitem noch nicht in Rom. Der auch als „Super-Mario“ betitelte Monti schweigt sich aus. „Es ist noch keine Nominierung“, zitierte die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ seine Reaktion auf das neue Ehrenamt. Auch steht den Parlamentariern erst noch ein Marathon bevor. Denn bis zum Wochenende soll zunächst das Stabilitätsgesetz mit den in Brüssel versprochenen Wachstumsreformen und Sparmaßnahmen vom Parlament gebilligt werden. Das ist zumindest der Plan. Ob es klappt, zeigt sich nicht vor der Abstimmung darüber.
Erst wenn das Reformgesetz durch ist, will Berlusconi abtreten. Als Garant dafür, dass er es auch wirklich tut, gilt der Staatschef, mit dem der noch regierende Premier sich abgesprochen hat. Solange offen ist, ob es nicht doch bald zu Neuwahlen in Italien kommt, haben die Parteien und Abgeordneten neben der tiefen Schuldenkrise ihres Landes - naturgemäß und verstärkt - aber auch ihre Wähler im Auge.