Analyse: Wie weit lässt die EZB den Euro noch sinken?
New York (dpa) - EZB-Chef Mario Draghi spricht - der Euro fällt. Für die Finanzmärkte ist das mittlerweile ein gewohntes Bild. Erst rettete „Super Mario“ 2012 die Gemeinschaftswährung mit seinem Versprechen, alles für ihren Erhalt zu tun.
Nun forciert er seit einiger Zeit im Kampf gegen Wachstumsschwäche und Deflationsgefahr ihren Kursverfall. Wie weit geht es noch abwärts und was bedeutet die Euro-Schwäche für Verbraucher und Unternehmen?
Er hat es schon wieder getan. Draghi überraschte die Finanzmärkte am Donnerstag mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik - die Leitzinsen im Währungsraum fallen von einem Rekordtief zum nächsten. Der Euro fällt mit. Nach Draghis Ankündigungen rutschte er mit 1,29 Dollar auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Investoren schichten ihr Geld dahin um, wo es höhere Zinsen gibt.
Auch wenn der Zeitpunkt des erneuten geldpolitischen Großeinsatzes unerwartet war: Die EZB hatte zuletzt schon häufiger angedeutet, die Notenpresse weiter anzukurbeln, um die lahme Konjunktur auf Trab zu bringen und die Gefahr eines deflationären Preisverfalls zu bekämpfen. Die einflussreiche US-Investmentbank Goldman Sachs, die häufig den Takt an den Finanzmärkten vorgibt, hatte den Euro deshalb bereits in der vergangenen Woche zum Abschuss freigegeben.
In den nächsten sechs Monaten werde die Gemeinschaftswährung bis auf 1,25 Dollar fallen, erklärte Robin Brooks, der oberste Währungsstratege des Wall-Street-Riesen, in New York. Ende 2017 werde der Euro nur noch einen Dollar wert sein. Steven Englander, der die Devisenabteilung der Citigroup leitet, sieht die Zeichen ebenfalls auf Wechselkursparität stehen.
„Short EUR“, heißt es kurz bündig in Englanders letzter Analyse zum Währungsmarkt. Eine sogenannte Short-Position ist im Finanzjargon eine Wette auf Kursverluste, EUR das Euro-Kürzel in den Handelssystemen. Dort ist die Botschaft längst angekommen. Großinvestoren und Hedgefonds setzten zuletzt so massiv auf einen Kurssturz des Euro wie seit dem Höhepunkt der Schuldenkrise vor zwei Jahren nicht mehr.
Allerdings ist es nicht nur die Billiggeld-Offensive der EZB, die den Euro fallen lässt. Viele Ökonomen und auch Investoren rechnen in den USA schon in absehbarer Zeit mit der ersten Zinserhöhung seit der schweren Finanzkrise. Nach dem wetterbedingt schwachen Winterhalbjahr hat die weltgrößte Volkswirtschaft wieder deutlich an Schwung gewonnen. Experte Paul Dales vom Analystenhaus Capital Economics erwartet schon im März 2015 eine Zinsanhebung der Notenbank Fed.
Wirft ein großer Währungsraum höhere Zinsen ab als der andere, so schichten Anleger Geld um. Der Euro könnte also weiter im Kurs sinken. Deutsche Verbraucher, deren Ersparnisse durch die niedrigen Zinsen ohnehin schon stark leiden, hätten dadurch weniger Kaufkraft. Der Urlaub außerhalb des Euroraums wird teurer. Andererseits ist die günstigere Währung eine gute Nachricht gerade für exportorientierte Firmen. Doch hat das die Euro-Wirtschaft bislang auch nicht wirklich anschieben können.