Analyse: Wo Flüchtlinge wohnen
Berlin (dpa) - Tausende Menschen fliehen nach Deutschland, um Krieg und Armut zu entgehen. Im Juli sind so viele Aylbewerber wie noch nie zuvor in einem Monat angekommen.
Länder und Kommunen müssen Unterkünfte für die Flüchtlinge finden - und funktionieren Immobilien, Zelte und andere ungewöhnliche Behausungen um.
AUTOBAHNMEISTEREI: Zelte für rund 200 Menschen wurden im baden-württembergischen Neuenstadt auf dem Gelände einer früheren Autobahnmeisterei aufgestellt. Im Südwesten sind auch mehrere hundert Flüchtlinge in der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal untergebracht.
BERG: Deutschlands höchstgelegene Flüchtlingsunterkunft befindet sich im Alpenvorland auf dem 1071 Meter hohen Auerberg. Das Panorama reicht an schönen Tagen von den Schweizer Alpen bis nach Tirol - doch bis zur nächsten Ortschaft ist es eine Dreiviertelstunde Fußmarsch.
CONTAINER: Seit Frühjahr baut Berlin auf eigenen Grundstücken sechs Wohncontainerdörfer mit insgesamt 2200 Plätzen auf. Drei davon sind schon bezogen. Auch in Bochum ist ein Containerdorf auf einer Friedhofswiese geplant, die allerdings als Bauland ausgewiesen ist.
DIENSTWOHNUNG: In Hannover hat der evangelische Landesbischof Ralf Meister einen Teil seiner Dienstwohnung für zwei Flüchtlinge abgetreten. Das katholische Bistum Osnabrück lässt zwei pakistanische Asylbewerber in seinem Priesterseminar wohnen.
EISSPORTHALLE: Noch bis September wird in Bremen die Eissporthalle „Paradice“ zur Unterbringung jugendlicher Asylbewerber genutzt, mit bis zu 80 Plätzen. Die Hansestadt funktionierte auch einen ehemaligen Supermarkt und einen Teil der Messehallen um. In Paderborn werden 200 Flüchtlinge ebenfalls in einer Eissporthalle untergebracht. Im September könnte Schluss sein. Dann kommt das Eis.
EROTIKHOTEL: Die Stadt Ronnenberg bei Hannover will ab Herbst ein nicht mehr benutztes Erotikhotel als Flüchtlingsunterkunft für 25 Menschen nutzen.
JUGENDHERBERGE: Immer mehr Jugendherbergen in Deutschland öffnen ihre Türen für Flüchtlinge. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben die Herbergswerke etwa vereinbart, in der kälteren Jahreszeit mindestens acht Häuser als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, wie Knut Dinter, Sprecher des Deutschen Jugendherbergswerks, berichtet. Mehr als 1000 Menschen werden dort untergebracht.
KASERNE: In Südbrandenburg wird eine seit 2007 verlassene Bundeswehrkaserne in Doberlug-Kirchhain für neue Bewohner hergerichtet. Statt Fallschirmjägern oder Beamten nun Asylbewerber. Auch in Kiel-Holtenau leben mehrere hundert Flüchtlinge in umgebauten Kasernengebäuden des ehemaligen Marinefliegergeschwaders 5.
KONZERTHALLE: Erfurt überlegt, die Thüringenhalle als Notunterkunft für Flüchtlinge zu nutzen. In der Konzerthalle könnten sie solange untergebracht werden, bis andere Unterkünfte gefunden sind. Und die werden in der Landeshauptstadt spätestens im September knapp. Deshalb sollen in den nächsten Wochen Container aufgestellt werden. Zelte als Notlösung schlossen mehrere Städte in Thüringen aus.
LEERE HÄUSER IM BRAUNKOHLEREVIER: In Manheim im rheinischen Braunkohlerevier sind 70 Flüchtlinge in leeren Häusern untergebracht. Die Einwohner ziehen weg, weil das Dorf in Nordrhein-Westfalen dem Tagebau in den kommenden Jahren weichen muss.
MIETWOHNUNGEN: In Mecklenburg-Vorpommern wird es in den gut 20 Sammelunterkünften laut Innenministerium inzwischen sehr eng. In manchen Orten wurden zusätzliche Wohnungen angemietet. Im Nordosten musste man bislang aber weder Zelte errichten, noch Turnhallen mit Betten vollstellen. Nach Mecklenburg-Vorpommern kommen allerdings auch nur zwei Prozent aller Asylbewerber in Deutschland.
RATHAUS: Im schleswig-holsteinischen Reinbek wurde im Rathaus eine Wohnung für Flüchtlinge eingerichtet. Im münsterländischen Coesfeld wohnen Flüchtlinge in Büros der Bezirksregierung. Andere Gebäude, die früher mal öffentlich zugänglich waren und nun von Flüchtlingen bewohnt werden: ein ehemaliges Krankenhaus in Hechingen in Baden-Württemberg und die ehemalige Hauptpost in Kaiserslautern.
SCHIFF: In Hamburg wohnen Flüchtlinge seit fünf Monaten auf einem Wohnschiff. Die „Transit“ hat 216 Plätze. Aber während woanders aus blanker Not Zeltstädte entstehen, bleiben auf der „Transit“ meist einige Plätze frei. Die Treppen sind steil, die Feuerschutztüren zu schwer für Kinder, und es herrscht absolutes Rauchverbot. Zudem will mancher, der unter Lebensgefahr mit einem Boot übers Mittelmeer gekommen ist, nicht auf einem Schiff leben. In Mainz wurde die Idee eines Schiffs aus diesem Grund verworfen.
SPORTHALLE: Zurzeit dient eine Sporthalle in Neumünster für 350 Asylbewerber als Notunterkunft. Auch in Oldenburg wird auf dem ehemaligen Fliegerhorst unter anderem eine umgebaute Sporthalle genutzt, wo 100 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stehen. Berlin hatte bis Ostern acht Turn- und Sporthallen in Notunterkünfte umfunktioniert. Die sind jedoch an ihre Nutzer zurückgegeben worden.
TRAGLUFTHALLE: Seit vergangenen Herbst leben in Berlin immer bis zu 300 Flüchtlinge in zwei Traglufthallen auf einem ehemaligen Fußballplatz in Mitte. In Düsseldorf sollen 600 Menschen in vier aufblasbaren, beheizbaren Traglufthallen mit festem Boden unterkommen. Mietkosten: 250 000 Euro monatlich.
ZELTSTÄDTE: In Sachsen-Anhalt reichen die 1000 regulären Plätze der Erstaufnahmeeinrichtung in Halberstadt nicht mehr. Nach kurzen Provisorien in Turnhallen entschied das Innenministerium, mit einer Zeltstadt Hunderte zusätzliche Schlafplätze zu schaffen. In Köln wird auf einer Bezirkssportanlage eine Zeltstadt aufgebaut. In Gießen und Wetzlar in Hessen gibt es bereits Zeltlager. An einer Zeltstadt für mehr als 1000 Menschen in Dresden kam es zwischen Rechten und Unterstützern der Flüchtlinge schon mehrfach zu Auseinandersetzungen.