Angst und Unsicherheit: Istanbul-Besucher nach dem Anschlag
Istanbul (dpa) - Normalerweise herrscht an dem Platz vor der Blauen Moschee in Istanbul Trubel. Menschen aus der ganzen Welt bestaunen das weltberühmte Bauwerk, lachende Urlauber machen Selfies.
Am Tag nach dem verheerenden Selbstmordanschlag in der türkischen Metropole herrscht dagegen gespenstische Leere. Reinigungskräfte beseitigen die letzten Spuren, ein Mann spritzt mit weißem Reinigungsschaum Parkbänke, den Boden, sogar die Straßenlaterne ab. Man möchte gar nicht wissen, was er da wegspült. Eine Frau will der Opfer gedenken und Nelken niederlegen - und wird sofort von Journalisten bestürmt.
Hier hat sich am Dienstag ein Selbstmordattentäter inmitten einer Gruppe von Touristen in die Luft gesprengt und zehn Deutsche mit in den Tod gerissen. Ganz in der Nähe ist der Eingang zur Hagia Sophia, hier stehen Besucher normalerweise lange an. Die Absperrungen, die sonst dazu dienen, den Ansturm auf das Museum zu regulieren, bleiben am Mittwoch nutzlos. Eine Warteschlange gibt es nicht. Die Urlauber meiden die berühmtesten Sehenswürdigkeiten Istanbuls.
Catherine Lang aus New York hat die Explosion am Dienstag gehört. Vor lauter Furcht habe sie das Hotel den ganzen Tag nicht verlassen, sagt 25-jährige Künstlerin. Am Mittwoch traut Lang sich dann doch heraus, um Fotos von der Blauen Moschee zu machen. Von einem unbekümmerten Urlaub ist aber nichts mehr übrig. „Ich habe Angst vor einer zweiten Bombe“, sagt sie.
Die 55-jährige Ramona, die mit einer Freundin aus Washington angereist ist und gerade in einem kleinen Laden Postkarten kauft, meidet dagegen Sehenswürdigkeiten. „Es ist sehr tragisch und grauenvoll“, sagt die Frau, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. „Wäre das vor unserer Abreise passiert, hätten wir den Urlaub storniert.“
Viele Touristen sind verunsichert. Einige hätten ihren Urlaub sogar abgebrochen, sagt Volkan Özkan, der ein kleines Hostel in der Nähe der blauen Moschee betreibt. Alleine am Abend nach dem Anschlag seien 10 seiner 15 Gäste fluchtartig abgereist, darunter zwei Deutsche.
Die Sicherheitslage ist angespannt, die Stimmung gedrückt. Dennoch sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der am Mittwoch Istanbul den Anschlagsort besucht und dort Blumen niederlegt, man dürfe sich von den Terroristen nicht einschüchtern lassen. „Ich sehe keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen. Wir wollen unser Verhalten, unser Leben nicht verändern.“
Oliver Pielen, ein deutscher Politikstudent aus Wien, ist ähnlicher Meinung. „Man darf sich nicht beeindrucken lassen. Die Terroristen wollen ja erreichen, dass die Menschen Panik haben“, sagt der 28-Jährige. Er sei mit der Wiener Singakademie auf Konzertreise in Istanbul, erzählt Pielen. Er meide nun große Gruppen und öffentliche Verkehrsmittel. „Aber ich habe nicht das Gefühl, dass an der Ecke ein Attentäter wartet.“
Andere sind zögerlicher. Gerd Habersatter, der ebenfalls in dem Wiener Chor singt, sagt, 12 der ursprünglich 80 Teilnehmer an der Reise hätten abgesagt. Auch er selbst habe kurz überlegt, ob er überhaupt in die Türkei fahren solle.
Hostel-Besitzer Özkan macht sich nach dem Anschlag Sorgen - nicht nur um seine Zukunft, sondern auch um das Image seines Landes. „Es leidet immer zuerst der Tourismus“, sagt er. „Wir wollen nicht, dass die Türkei als Terror-Land abgestempelt wird wie Afghanistan.“