Angstforscher: Neue Gefahren werden überschätzt
Hamburg/Göttingen (dpa) - Die EHEC-Krise in Deutschland löst bei vielen Menschen Angst und starke Verunsicherung aus: Was kann ich noch gefahrlos essen? Könnte ich mich angesteckt haben?
Der Göttinger Angstforscher Prof. Borwin Bandelow erklärt: Neue und unbeherrschbar wirkende Gefahren werden in der Regel überschätzt. „Dann kriegen die Leute immer eine sehr starke Angst, die auch in keinem Verhältnis zu der tatsächlichen statistischen Häufung steht“, sagte der 59-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.
Bekannte Gefahren dagegen ließen uns in der Regel völlig kalt - ob im Straßenverkehr oder durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen: „Gefahren, die vermeintlich als beherrschbar erscheinen, unterschätzen wir - die anderen überschätzen wir.“ So sei es etwa bei der Schweinegrippe oder der Vogelgrippe zu „panischen Überreaktionen“ gekommen, sagte der Psychiater.
Solange der Ursprung der EHEC-Epidemie im Dunkeln liege, seien Angstreaktionen auch nachvollziehbar, betonte Bandelow. „Jeder hat Angst, ich hab auch Angst.“ An solche angsterregenden Situationen könnten sich Menschen aber mit der Zeit gewöhnen - ob jetzt in der EHEC-Krise oder etwa nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. „Nach vier Wochen reden die Leute nicht mehr davon, weil sich die Angst irgendwie gelegt hat. Das tritt dann in den Hintergrund und ist nur noch eine von vielen Gefahren.“
Auch Wissen könne zum Abbau von Angst beitragen, erklärte der Wissenschaftler. „Die meisten Menschen haben aber nicht Mikrobiologie studiert - und sind eben verunsichert.“
Inzwischen hätten manche Leute sogar eine neue Angst entwickelt - nämlich die vor einem Vitaminmangel. „Sie glauben, dass sie jetzt plötzlich Ernährungsdefizite haben.“ Das Robert Koch-Institut (RKI) warnt ja davor, Tomaten, Gurken und Blattsalate roh zu essen. „Diese Angst vor einem Vitaminmangel ist aber unbegründet“, betonte Bandelow.