Ansbach-Attentäter möglicherweise mit Hintermann
Ansbach/Berlin (dpa) - Der Selbstmord-Attentäter von Ansbach hat möglicherweise unmittelbar vor dem Anschlag über sein Handy Anleitungen von einem Hintermann bekommen.
Nach Angaben der bayerischen Behörden gibt es Hinweise, dass der 27-jährige Syrer noch kurz zuvor über einen Internet-Chat in Kontakt mit einem Unbekannten stand. Offen blieb am Mittwoch, ob tatsächlich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dahintersteckt. Die Gruppe hat den ersten Selbstmordanschlag auf deutschem Boden für sich reklamiert.
Die politische Diskussion über die Konsequenzen der jüngsten Anschläge in Deutschland auf die Flüchtlingspolitik nahm weiter an Fahrt auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird dazu an diesem Donnerstag in Berlin erstmals ausführlich Stellung beziehen. Die CDU-Vorsitzende unterbricht eigens dafür ihren Sommerurlaub. Amnesty International mahnte die Parteien zu Besonnenheit.
Unterdessen wurden weitere Ermittlungsergebnisse bekannt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) teilte mit, dass der Ansbach-Attentäter bis kurz vor dem Anschlag „intensiven“ Kontakt mit jemandem gehabt habe, „der maßgeblich auf dieses Attentatsgeschehen Einfluss genommen hat“. Ob der Gesprächspartner vom IS kam und wo er sich aufhielt, konnte Herrmann nicht sagen.
Nach Angaben der Terrormiliz war der Attentäter schon seit mehreren Jahren IS-Mitglied. In der aktuellen Ausgabe eines wöchentlichen Rundschreibens veröffentlichte der IS einen Nachruf. Darin wurde auch behauptet, dass der 27-Jährige vor dem Anschlag in engem Kontakt mit einem IS-„Soldaten“ gestanden habe. Die Zuverlässigkeit der Angaben konnte zunächst nicht verifiziert werden.
Herrmann bestätigte aber, dass bei dem abgelehnten Asylbewerber eine Rolle von 50-Euro-Scheinen gefunden wurde. Unklar blieb, woher er das viele Geld hatte. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ gibt es Hinweise darauf, dass der Mann gezielt vom IS nach Deutschland geschickt wurde. Bei dem Selbstmord-Attentäter hatte ein psychologischer Gutachter schon Anfang 2015 einen aufsehenerregenden Suizid für möglich gehalten.
Der Syrer hatte sich am Sonntagabend im fränkischen Ansbach mit einer Bombe in die Luft gesprengt. Dabei wurden 15 Menschen verletzt. Wenige Tage zuvor war ein 17-Jähriger in einer Regionalbahn bei Würzburg auf Fahrgäste losgegangen. Dabei gab es fünf Verletzte, bevor der Attentäter von der Polizei erschossen wurde. Später wurde ein Video bekannt, in dem er sich als IS-Kämpfer ausgab.
Zudem gab es neue Details über den 18-jähriger Amokläufer, der am Freitagabend in München neun Menschen erschossen hatte, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte der junge Deutsch-Iraner eine rechtsextremistische Weltsicht. Türken und Araber habe er gehasst.
Die Gewalt-Serie wird auch Thema der großen Pressekonferenz sein, die Merkel wie jeden Sommer gibt. Ursprünglich hatte sie damit bis nach den Ferien warten wollen. Bei gleicher Gelegenheit hatte sie Ende August vergangenen Jahres zur Flüchtlingskrise gesagt: „Wir schaffen das.“ Die Zweifel daran sind inzwischen größer geworden. Rechtspopulistische und nationalkonservative Parteien in Europa nutzen die Gewalttaten auch für Kritik an der Kanzlerin.
In Gmund am Tegernsee beriet das bayerische Kabinett über Konsequenzen. Auf jeden Fall soll die Polizei des Freistaats besser ausgestattet werden. Unter anderem soll sie zusätzliche gepanzerte Fahrzeuge bekommen. Innenminister Herrmann vertritt zudem die Auffassung, dass Abschiebungen in Krisengebiete kein Tabu mehr sein dürften.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) wies in der Zeitung „Die Welt“ Forderungen aus der Union nach verschärften Abschieberegeln zurück: „Jeder, der das Geschäft kennt, weiß, dass man das Asylrecht eben nicht beliebig auslegen kann.“
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland forderte, das Asylrecht für Muslime auszusetzen. Deutschland könne es sich aus Sicherheitsgründen nicht mehr leisten, „noch mehr Muslime unkontrolliert einwandern zu lassen“. In Grundgesetz-Artikel 16a heißt es: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn die Flüchtlinge aus einem anderen EU-Land oder aus einem sicheren Herkunftsstaat einreisen.
Amnesty International warnte davor, straffällige Flüchtlinge in Konfliktgebiete abzuschieben. „Kein Mensch darf in ein Land abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit gefährdet sind“, sagte die Asyl-Expertin Andrea Berg der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Deutsche Bahn kündigte an, zum Schutz vor neuen Gewalttaten in den nächsten Jahren mehrere hundert zusätzliche Mitarbeiter im Sicherheitsdienst einzustellen.