Antrittsbesuch des Jahres: Tsipras trifft Merkel in Berlin

Berlin (dpa) - Am Montag ist es soweit. Am späten Nachmittag, gegen 17.00 Uhr, wird Angela Merkel vor dem Kanzleramt den griechischen Kollegen Alexis Tsipras in Empfang nehmen.

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Es hat ein wenig gedauert: 57 Tage ist es dann schon her, dass Tsipras nach dem Wahlsieg seiner Linkspartei Syriza zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Normalerweise lässt man sich in Berlin mit einer Einladung an einen neuen europäischen Partner nicht so lange Zeit. Besondere Umstände eben.

Wie es beim Antrittsbesuch eines Regierungschefs üblich ist, bekommt auch Tsipras militärische Ehren. Und, man darf sich sicher sein: Auch dieses Mal wird Merkel mit einer kleinen Handbewegung zur Hilfe sein, falls der Gast vor der Ehrenformation der Bundeswehr in die falsche Richtung marschieren sollte. Das kommt häufiger vor. Ansonsten allerdings wird am Montag wenig sein wie sonst.

Nach mindestens fünf Jahren Schuldenkrise in Griechenland sind die Beziehungen zwischen Athen und Berlin so zerrüttet wie noch nie zwischen zwei Euro-Partnern. Gegenseitige Schuldvorwürfe und Beleidigungen sind an der Tagesordnung. Längst geht der Streit nicht nur um Griechenlands Schuldenstand oder die Frage, ob Deutschland wegen seiner Nazi-Vergangenheit noch Wiedergutmachung zahlen muss. Sondern zum Beispiel auch über deutsche Zeige- und griechische Mittelfinger.

So lange ist es gar nicht her, dass der Syriza-Chef zuletzt in Berlin war. Nur, dass er im Mai vergangenen Jahres noch nicht auf Einladung der Bundesregierung kam, sondern der deutschen Linkspartei. Tsipras - damals noch Opposition, aber längst schon Hoffnungsträger der europäischen Linken - war Stargast eines Parteitags im Berlin.

Über seinem jetzigen Besuch hängen ganz andere Fragen, etwa wie lange sich Griechenland überhaupt noch in der Eurozone halten kann. Früher war das ein Unwort; jetzt wird täglich über den „Grexit“ (Griechenlands Exit, also Austritt, aus der Währungsunion) spekuliert. Schwieriger könnte der Besuch am Montag also kaum sein.

Merkel war in den ersten Wochen nach Tsipras' Wahl zum neuen Ministerpräsidenten einigermaßen ratlos, wie sie auf seine Weigerung reagieren sollte, Auflagen für die Milliardenkredite zur Rettung seines Landes zu erfüllen. Griechischen Hoffnungen, Deutschland würde irgendwie für ein Wirtschaftswunder in dem unter den Schulden ächzendem Land sorgen, konnte und kann sie nicht gerecht werden. Und sie will dem jungen Amtskollegen auch keinen Sonderweg ebnen. Das kann sie weder den Euro-Partnern noch der eigenen Partei verkaufen.

Doch dann, sozusagen auf dem Höhepunkt der Anfeindungen zwischen den Finanzministern Wolfgang Schäuble (CDU) und Gianis Varoufakis, lud Merkel Tsipras zum Antrittsbesuch ein. In ihrer Unionsfraktion begründete sie das so: Deutschland muss immer auch ein Land sein, das nichts unversucht lässt, um Fortschritte zu erzielen.

Das Treffen mit der Kanzlerin ist für Tspiras bereits das dritte. Bis Januar waren die beiden Gegenspieler und sahen sich nie. Seither gab es aber schon zwei Treffen in Brüssel, zuletzt am Freitag. Bekannt gemacht wurde der Berlin-Termin zu Beginn der Woche. Das war, nachdem Tsipras in einem „Spiegel“-Interview öffentlich bekundet hatte: „Wenn ich eine Einladung von der Kanzlerin bekäme, würde ich sie sofort annehmen.“