Athen muss sparen - aber viele Griechen blockieren
Athen (dpa) - „Das Schiff sinkt und wir fragen, wer Schuld daran ist“. So kommentierte ein Bäcker in Athen die Lage in Griechenland am Donnerstag. Wenn kein Geld kommt, ist das Land um den 15. Juli herum pleite.
Die anderen Europäer wollen helfen. Und dennoch: in Griechenland rudern Politiker, Gewerkschaften, Parteien und Arbeitgeberverbände in verschiedene Richtungen.
Die regierenden Sozialisten verlangen, dass das von der EU und dem IWF diktierte Stabilisierungs- und Sparprogramm in die Tat umgesetzt werden müsse. Einen anderen Weg gebe es nicht. Das sehen auch viele Griechen ein. „Es sei denn, Gott schickt uns Hilfe“, meint ein Friseur in der Athener Vorstadt Peristeri. Auch Reformen sind dringend nötig. „Wenn die Griechen sich nicht entscheiden, alles zu ändern, wird das Land nie aus der Krise kommen“, sagt der sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Er macht keinen Hehl daraus, dass auch seine Partei verantwortlich für die Misere ist. Es sind auch deren frühere Funktionäre, die heute in überbesetzten staatlichen Betrieben sitzen und rote Zahlen produzieren.
Die größte Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) trägt einen wichtigen Teil der Verantwortung - verweigert sich aber Papandreous Kurs. Tausende ND-Mitglieder wurden zwischen 2004 und 2007 beim Staat eingestellt, als der frühere ND-Ministerpräsident Kostas Karamanlis das Land regierte. Jedes Problem wurde mit einem neuen Kredit gelöst. Der heutige Parteichef Antonis Samaras zeigt sich hart und wiederholt einen Satz immer wieder: Der Staat müsse verschlankt werden, die Sparmaßnahmen seien aber fatal. Sie würgen die Wirtschaft ab. „Die Medizin ist gefährlicher als die Krankheit“, sagt er bei jeder Gelegenheit.
Den anderen Europäern ist der Kragen schon längst geplatzt. Schon Anfang Juni wurde klar ausgesprochen: Wenn Griechenland nicht ein neues Sparprogramm einführt, dann gibt es kein Geld mehr. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten will man nur eines aus Athen hören: Wir haben uns geeinigt und das Sparprogrammm gebilligt. Solange das nicht kommt, bleibt die Lage brenzlig.
Die Gesellschaft schaut verwirrt und schockiert zu. Der einfache Bürger sieht, wie das Geld aus dem Ausland fast ausschließlich für die Bedienung von Altschulden verwendet wird. Er selbst verdient immer weniger - und muss doch immer mehr Steuern zahlen. Millionen haben resigniert und versuchen, mit Freunden und der Familie durch diese dramatische Zeit zu kommen. Mehr als 35 Prozent interessieren sich laut Umfragen gar nicht dafür, was die Politiker sagen.
Andere sind wütend. Tausende demonstrieren jeden Abend vor dem Parlament - teils mit unlogischem Trotz: Alle Politiker, die Schulden und die EU-IWF-EZB-Troika sollen weg. Eine Lösung, was danach kommen soll, schlagen sie nicht vor. Die Gewerkschaften - allen voran die der privilegierten Unternehmen des öffentlichen Sektors - bremsen alle Reformen. Sie wollen alle „sozialen Errungenschaften“ verteidigen. Die jüngste Forderung der Gewerkschaft der Telefongesellschaft, am Donnerstag in den Radionachrichten zu hören: Der Zuschuss in Höhe von etwa 25 Euro monatlich für die „Vorwärmung der Motoren der Dienstfahrzeuge“ solle nicht abgeschafft werden.
Und schließlich die Händler und die Verbände der Arbeitgeber. Der Handel in der Hauptstadt ist wegen der kontinuierlichen Streiks und Demonstrationen im Zentrum Athens ruiniert. Und nach Ansicht der Unternehmer kann nur noch ein „Marshallplan“ für Griechenland nach dem Muster der Hilfe der USA für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg das Land retten.
Der einzige Bereich, der trotz Krise nicht leidet, scheint der Tourismus zu sein. 24 Prozent mehr Besucher sind im April im Vergleich zum Vorjahr nach Griechenland gekommen. „Wir haben noch Leute, die uns mögen“, sagt Christos Pilatakis, Direktor eines Hotels nahe Lindos auf der Insel Rhodos.