Fragen und Antworten Auswirkungen des Fremdenhasses auf Sachsen

Dresden (dpa) - Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es gemessen an der Bevölkerungszahl mehr fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalttaten als in Sachsen. Mit der Pegida-Bewegung ist vor allem die Landeshauptstadt Dresden zum Symbol einer neuen rechtspopulistischen und nationalistischen Bewegung geworden.

Die Bemühungen aus Politik und Gesellschaft, sich dem entgegenzustellen, wirken mitunter hilflos. Bei der Vorstellung des Jahresberichts zum Stand der deutschen Einheit warnte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, dass Fremdenfeindlichkeit den wirtschaftlichen Aufholprozess und den gesellschaftlichen Frieden gefährde.

Wie wirkt die Fremdenfeindlichkeit auf die Entwicklung der sächsischen Wirtschaft?

Sie beeinträchtige den Wirtschaftsstandort Sachsen, sagen Experten. Wirtschaftsminister Dulig sieht in der Fremdenfeindlichkeit die „größte Zukunftsbarriere“. Schon jetzt habe sie einen „nachhaltigen Schaden“ angerichtet, der nicht irreparabel werden dürfe. Der neu gegründete Verein „Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen“, in dem auch der Branchenverband Silicon Saxony vertreten ist, will genau deswegen aktiv werden. Zwar ließen sich die Auswirkungen nur schwer mit Zahlen belegen, sagt Vereinssprecher Andreas von Bismarck. „Aber wir kennen konkrete Beispiele, was ausbleibende Ansiedlungen und unbesetzte Arbeitsplätze betrifft.“

Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts, sieht zumindest die „peripheren Regionen, wo man sowieso schon große Schwierigkeiten hat, Arbeitskräfte zu finden, wo die wirtschaftliche Entwicklung so oder so schon etwas lahm ist“, in Gefahr, Schaden zu nehmen. „Da ist in der Tat das Risiko relativ hoch, dass sich dort zum einen die rechtsextremen Einstellung weiter verbreiten - weil die wirtschaftliche Lage ja so schlecht ist - und dass das dann auch wieder negative Auswirkungen haben kann auf die wirtschaftliche Entwicklung.“ Investoren könnten zumindest mittelfristig aus bestimmten Regionen wegbleiben. „In den Zahlen ist das derzeit aber noch nicht zu erkennen.“

Beeinträchtigt der Fremdenhass die Anwerbung von Fachkräften?

„Man hört immer wieder, dass Unternehmer klagen, ausländische Bewerber sprängen immer wieder ab, weil sie Angst hätten“, sagt Ragnitz. Aber auch das sei nur schwer zu belegen oder in Zahlen zu erfassen. Laut von Bismarck spielen gerade im Osten, wo es Nachholebedarf bei harten Faktoren wie dem Gehalt gebe, weiche Faktoren wie das Lebensumfeld eine große Rolle. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass Fachkräfte angesichts ausländerfeindlicher Stimmung sich lieber für den Job in einem anderen Bundesland entscheiden. Derzeit gebe es in Sachsen rund 70 000 offene Stellen. „Da muss man sich schon die Frage stellen, warum.“

Bleiben die Touristen weg?

Geht es um den Tourismus, ist vom „Pegida-Effekt“ die Rede - vor allem in der Hochburg Dresden. Die Auswirkungen des Negativ-Images sind kaum konkret zu messen, aber fest steht: 2015 ging die Zahl der Übernachtungen in Dresden um drei Prozent auf 4,3 Millionen zurück, der erste Rückgang seit sechs Jahren. Auch im ersten Halbjahr 2016 sanken die Übernachtungszahlen um 0,2 Prozent. Deutsche Touristen buchten in den ersten Monaten des Jahres weniger Übernachtungen in der Landeshauptstadt (-2 Prozent). Auch in Sachsen insgesamt bleibt der Tourismus hinter den Erwartungen zurück, die Übernachtungszahlen stagnieren. So wurden im ersten Halbjahr 2016 knapp 8,54 Millionen gezählt, nur 0,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeittraum.

Was tun Wissenschaft und Forschung?

Die Technische Universität Dresden hatte Anfang Mai angekündigt, Anfeindungen ihrer ausländischen Studenten und Mitarbeiter nicht hinzunehmen und eine Anlaufstelle für Opfer von Fremdenhass einzurichten. Anlass war eine Veranstaltung, zu der Rektor Hans- Müller Steinhagen kurz zuvor in den Landtag eingeladen hatte. Dabei berichteten mehrere ausländische Studenten über ihre krassen Erfahrungen mit Alltagsrassismus in Dresden. „Ich bin selten so traurig und nachdenklich aus einem Gespräch gegangen“, sagte der Rektor damals. Später gingen bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Beschwerden mehr bei der Anlaufstelle ein. Dennoch berichteten Studenten immer wieder, dass sie gerade an Montagabenden die Innenstadt meiden - dann, wenn die asyl- und ausländerfeindliche Pegida-Bewegung durch Dresden marschiert.

Was tut die Politik, um den Standort zu sichern?

Die Antwort könne nur mehr Offenheit, mehr Demokratie und mehr politische Bildung sein, meint Dulig. „Unsere Antwort muss eine nach vorne gerichtete sein. Wir dürfen jetzt nicht nur in der Analyse hängenbleiben, denn so überraschend ist das jetzt ja nicht.“ Wichtig sei, „dass die Anständigen in Sachsen, die immer noch die Mehrheit sind, laut und deutlich sagen, wie sie sich das Zusammenleben in Sachsen vorstellen“. Nur mit einer „klaren Haltung“ und einem starken demokratischen Engagement der Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft könne Sachsen zum Wachstumsmotor für Ostdeutschland werden. „Ansonsten passiert das Gegenteil.“