Bankenbeteiligung an neuen Rettungspaketen vor dem Aus
Brüssel/Frankfurt (dpa) - Rolle rückwärts? EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat die von Deutschland vehement durchgesetzte Beteiligung von Banken und Versicherungen bei der Rettung Griechenlands als Fehler bezeichnet.
Dieses Verfahren solle nicht mehr für andere Länder angewendet werden. Es habe die Märkte nur noch weiter verunsichert und die Lage damit verschärft. Ist damit die deutsche Forderung, den Privatsektor an zukünftigen Lösungen der Schuldenkrise zu beteiligen, für immer und ewig Geschichte? Wenn das so wäre, wäre es eine herbe Niederlage für die Bundesregierung.
Die Lage ist unklar. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums Martin Kotthaus sagt, eine Privatsektorbeteiligung solle in Zukunft vermieden werden, sei als „aller, aller, allerletzter Fall“ aber weiterhin möglich. Daher werde an den - zum Start des dauerhaften Rettungsfonds ESM - geplanten Umschuldungsklauseln festgehalten.
Der Plan, private Investoren durch Forderungsverzicht zur Kasse zu bitten, war in Deutschland nach Einschätzung vieler Experten vor allem innenpolitischen Motiven und öffentlichem Druck geschuldet. Der Schuldenschnitt für Griechenland war im Sommer ausgehandelt und im Oktober ausgeweitet worden. Private Gläubiger sollen demnach die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte von Anfang an vor den Konsequenzen gewarnt.
Ökonomen sind sich einig, dass die - wenn auch als freiwillig bezeichnete - Beteiligung der Finanzbranche an der Griechenland-Rettung für die weiteren Schuldenstaaten verheerende Folgen hatte. Viele Banken trennten sich ohne Rücksicht auf Verluste in den vergangenen Monaten massenhaft von ihren Staatsanleihen. Es trat ein regelrechter Käuferstreik ein - kaum jemand wollte noch in die auf einmal gar nicht mehr sicheren Papiere aus Spanien und Italien investieren.
„Ich glaube, die Deutschen haben die negativen Folgen dieser Initiative unterschätzt", sagte der Chef der französischen Großbank BNP Paribas, Baudouin Prot, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag) „Wenn die Schuldpapiere unseres Währungsraums als einziger Region in der Welt in Frage gestellt werden, dann hat das extrem schädliche Auswirkungen.“
Commerzbank-Chef Martin Blessing äußerte sich in seiner Enttäuschung über die Politik so deutlich wie kaum ein anderer Banker. „Wenn heute noch mal ein Politiker zu mir käme und verlangte, wir sollten unsere Staatsanleihen in den Büchern halten, dann antworte ich: Trau, schau, wem“, sagte der Manager bereits vor anderthalb Monaten.
Auch der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sieht in der „freiwilligen“ Vereinbarung zulasten der Banken den Kardinalfehler des bisherigen Krisenmanagements. Der Schuldenerlass für Griechenland sei an den Finanzmärkten als Präzedenzfall für das wesentlich größere Italien aufgefasst worden.
Bei den Banken dürften Van Rompuys Aussagen nun mit Genugtuung aufgenommen werden. Die Freude über das Eingeständnis, beim griechischen Schuldenschnitt falsch gelegen zu haben, könnte nach Einschätzung von Experten allerdings verfrüht sein. Das weitere Verfahren bei Zahlungsausfällen staatlicher Schuldner bleibt weitgehend unklar. Die neue Marschroute bei staatlichen Umschuldungen soll sich streng an den Prinzipien und Verfahren des Internationalen Währungsfonds (IWF) orientieren. Die müssen für private Investoren allerdings nicht zwingend Vorteile bringen. In der Vergangenheit sorgte der IWF bei Staatsinsolvenzen mitunter für tiefe Eingriffe in die Rechte der Gläubiger.
Zudem haben die Äußerungen Van Rompuys zunächst vor allem symbolischen Charakter. Sie dürften darauf zielen, das Vertrauen privater Anleger in Staatsanleihen aus dem Euroraum wieder herzustellen. „Wahrscheinlich dürfte es - anders als bisher in den Entwürfen für den ESM vorgesehen - nur dann noch zu einer Beteiligung des Privatsektors kommen, wenn die vorgesehene Analyse der Schuldentragfähigkeit des betreffenden Landes negativ ausfällt“, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.
Das würde bedeuten, dass Investoren erst Abstriche machen müssten, wenn ein Land quasi offiziell für bankrott erklärt wird und nicht - wie im Fall Griechenlands - lediglich Liquiditätsengpässe festgestellt werden. Das ist jedoch nichts grundsätzlich Neues: Im Zusammenhang mit dem griechischen Schuldenschnitt hatten EU-Politiker ohnehin stets betont, dass es sich um einen absolute Ausnahme handelt. Das müssen Investoren nun endlich auch glauben.