Analyse Bannons Abgang: Der Stratege geht

Washington (dpa) - Es hat sich angedeutet, weil auch die oft so riesenhafte Welt des Donald Trump nach innen enge Grenzen hat. Stephen Bannon, politischer Chefstratege des US-Präsidenten, verlässt das Weiße Haus.

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Der eisgraue Mann galt schon öfter als angezählt, war aber ein Stratege mit sieben Leben. In der letzten Runde waren seine Gegner wohl zu stark.

Bannon (63) machte zuletzt einen Fehler, der seiner angeblich so überragenden Klugheit stark entgegenstand: In einem Interview („Amercian Prospect“) ließ er in Sachen Nordkorea mal eben die glatte Gegenposition zu seinem Feuer-und-Wut-Präsidenten erkennen. Und er erweckte auch sonst den starken Eindruck, eigentlich alles ziemlich gut alleine zu können und ganz genau zu wissen.

Der Spitzname „Präsident Bannon“ kam nicht von ungefähr. Das konnte Trump nicht lange ertragen und schließlich nicht mehr ansehen.

Bannon hatte Feinde. Mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner war er lange überkreuz, und auch Trumps neuer starker Mann, Stabschef John Kelly, wollte ihn aus dem Haus haben. Er könne Bannons „Machenschaften im Schatten“ nicht ab, zitieren ihn US-Medien.

Mit H.R. McMaster hat sich Bannon ebenfalls angelegt, er soll Vertrauliches über den nationalen Sicherheitsberater durchgestochen und eine Schmutzkampagne orchestriert haben.

Weitere Würze gibt dem Abgang, dass laut „New York Times“ zuletzt auch Rupert Murdoch mehrfach Bannons Kopf gefordert haben soll. Als mächtiger Verleger ist der Chef von News Corp Trumps Intimus. Kenner sagen, er beginne selten einen Kampf, den er nicht am Ende gewinne. Murdochs Fox News wurde Trumps Haussender, das einst als Trumps Riesenposaune apostrophierte Breitbart News spielt eine nur mehr untergeordnete Rolle.

Lange hat sich Trump geweigert, „seinen Steve“ abzusetzen. Trump, der öffentliche Haudrauf, gilt im persönlichen Umgang als konfliktscheu, und die beiden Männer verbindet viel. Es ist nicht übertrieben, Bannon als Retter des 2016er Wahlkampfs zu bezeichnen, als der ins Trudeln geriet. Mit klarem Blick und Eiseskälte schloss Bannon Trumps rohe Energie und massentauglichen Fähigkeiten mit nacktem Populismus kurz - und mit unverstelltem Nationalismus.

„Das ganze Konzept des Trumpismus kann am besten durch seine Partnerschaft mit Bannon verstanden werden“, sagt Bannons Biograf Joshua Green. „Dazu gehört auch der Modus der pausenlosen Attacke.“ Bannon: „Nur im Kampf werden wir uns das Land zurückholen können. Jeden Tag wird das ein Kampf sein.“

Es ist kaum zu erwarten, dass Trump diese Ausrichtung seiner Politik nun grundsätzlich ändern wird. Zu sehr ist er dafür nach der Kritik wegen seiner Gleichsetzung von Rassismus und Gegendemonstranten im Kampfmodus. Zu sehr schwört er seine Anhänger auf sich ein, zu stark scheint er isoliert. Der Stratege geht, die Strategie eher nicht, auch wenn aus Trumps erstem Sturm nun kaum mehr jemand auf dem Eis ist.

Einmal mehr fokussiert sich jetzt aber wieder alle Wahrnehmung auf das Weiße Haus, auf seine Dramen und Kabale. Nicht auf Trumps Agenda, seine Vorhaben, seine Politik. Wieder ein Freitags-Abgang, wie zuletzt so oft.

Trump soll sich gesorgt haben, was der nicht zur Sanftmut neigende Bannon nach dessen Abgang anstellen wird, ist der Ex-Mitstreiter doch eine wichtige Verbindung zu den nationalen und rechten Teilen von Trumps Basis. Dass dieser Abgang geräuschlos bleiben wird, ist kaum zu erwarten. Bannon ist ein sehr, sehr enger Freund der Familie Mercer. Milliardäre mit unschätzbarem Einfluss.

Bannon bezeichnete sich als ökonomischen Nationalisten. Er ist strikt anti-globalistisch und anti-kosmopolitisch. Als strammer Ideologe hat er Trumps Motto „Amerika zuerst“ überzeugt mitverantwortet. Auch dass die US-Medien die eigentliche „Opposition“ seien und nicht die Demokratische Partei, stammt von ihm. Trumps tiefdunkle Rede bei seiner Amtseinführung trug maßgeblich Bannons Handschrift.

Bannon gilt als schnell und skrupellos, wirkte gerne im Verborgenen, öffentliche Auftritte waren selten. Zuletzt habe Bannon als interner Exilant im Weißen Haus gewirkt, schrieb die „New York Times“ - auch deswegen ragte sein letztes Interview so heraus. Bannon wurde mit dem Imperator und mit Darth Vader aus „Krieg der Sterne“ verglichen, einem dunklen Lord, einem Puppenspieler, dem Trump nur Werkzeug sei.

Wenn es so ist, dass Trump ihm nun den Stuhl vor die Tür gestellt hat, macht der Präsident einmal mehr klar: Nur einer hat hier die wahre Macht. Vermutlich Bannon selbst ließ dagegen die Lesart verbreiten, er habe schon längst gekündigt. Die dritte Lesart schließlich verbreitete das Weiße Haus: gegenseitiges Einvernehmen.

Vor 25 Jahren war Bannon noch Teil exakt des Establishments, das er aus dem Weißen Haus heraus bekämpfen wollte. In seiner Zeit bei Goldman Sachs kam er zu einigem Reichtum, er ist vielfacher Millionär. Als er dann zu Trump kam, ließ er seine Arbeit für Breitbart News ruhen. Die Publikation kämpfte jahrelang erbittert gegen Hillary und Bill Clinton, ist Heimstatt vieler Verschwörungstheorien. Mit Breitbart agierte Bannon jahrelang am rechten Rand. Vorwürfe des Antisemitismus stritt er immer ab. Das „Bloomberg Magazine“ schrieb Bannon für das Erstarken und Ausformen der ultrakonservativen Bewegung eine zentrale Rolle zu.

2013 bezeichnete er sich als Leninist, wolle er doch wie Lenin den Staat zerstören. Als Bannon dann im Februar 2017 seelenruhig sagte, der radikale Abbau des administrativen Staates sei eines der obersten Ziele der Regierung, war das für viele eine der beunruhigendsten Aussagen der noch jungen Trump-Ära.

Vor seiner Zeit im Weißen Haus schätzte Bannon ein hemdsärmeliges Auftreten - das Hemd über einer kurzen Cargohose, unrasiert, das Haar zurückgewuschelt. Bei offiziellen Anlässen trug er indes fast immer Anzug und meistens Krawatte. Das wird nun nicht mehr nötig sein.