Benjamin Netanjahu: deutlich geschwächter Wahlsieger
Tel Aviv (dpa) - „Es ist kein regnerischer Tag, aber ich hoffe, es wird Stimmen für den Likud regnen“, sagte der rechte israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bei der Stimmabgabe. Aber es kam etwas anders.
Bei strahlendem Sonnenschein gingen am Dienstag vor allem Anhänger von Parteien der politischen Mitte und links davon in Scharen zur Wahl. Fast schon verzweifelt meldete sich Netanjahu am Wahltag zu Wort: „Es gibt Berichte aus klassischen Hochburgen des Likud, dass dort die Wahlbeteiligung niedriger ist als im Landesdurchschnitt“. Und eindringlich fügte hinzu: „Daher rufe ich Likud-Wähler aller Generationen dazu auf, alles stehen und liegen zu lassen und wählen zu gehen.“
Zwar dürfte der 63-jährige Netanjahu als Chef der stärksten Kraft erneut mit der Regierungsbildung beauftragt werden, aber das könnte sich angesichts seiner geschrumpften Machtbasis und der tiefen Differenzen zwischen den möglichen Koalitionspartnern als Alptraum erweisen. Zugutekommen könnte ihm dabei seine langjährige Erfahrung an der Spitze von zwei Koalitionsregierungen. Auch ist er inhaltlich nur wenig festgelegt. Likud-Beitenu hatte nicht einmal ein Wahlprogramm. Sein wichtigstes Argument lautet: Israel brauche in unruhigen Zeiten eine „starke Führung“.
So hat er sich im Friedensprozess mit den Palästinensern zwar formell zur Zwei-Staaten-Lösung bekannt, aber Verhandlungen darüber auch nicht forciert. Große Visionen von einer besseren oder gar friedlicheren Zukunft meidet der 1949 in Tel Aviv geborene Politiker. Kritiker werfen ihm vor, er versuche, die Probleme einfach auszusitzen.
„Die wichtigste Kraftquelle der Regierung Netanjahu ist, (...) die Dinge in der Schwebe, unentschieden zu halten. Solange dieser Zustand in fast allen Bereichen aufrechterhalten bleibt, überlebt die Koalition, und nur darum geht es Netanjahu“, kritisierte der frühere Chef des Inlandsgeheimdienstes, Juval Diskin, kürzlich. Für mutigere Schritte - wie etwa im Friedensprozess in Richtung Zwei-Staaten-Lösung - sei Netanjahu einfach zu ängstlich. Zugleich drohe die fortschreitende Besiedelung des Westjordanlandes für Israel eines Tages zu einem unlösbaren Problem zu werden.
Der Atomkonflikt mit dem Iran, den Netanjahu und sein Verteidigungsminister Ehud Barak in den vergangenen Jahren immer wieder auf die internationale Tagesordnung gebracht haben, spielte im Wahlkampf eine überraschend geringe Rolle.
Sollte es Netanjahu gelingen, eine arbeitsfähige Regierung zu schmieden, wäre es für den 63-Jährigen die dritte Amtszeit. Der verheiratete Vater von drei Kindern war bereits von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Sein Amt als Finanzminister unter dem damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon legte Netanjahu aus Protest gegen die Räumung des Gazastreifens im August 2005 nieder. Bei den Wahlen vor vier Jahre wurde der Likud dann unter seiner Führung nur zweitstärkste Fraktion. Wegen der Übermacht des rechten Lagers im Parlament erhielt Netanjahu jedoch letztlich den Auftrag zur Regierungsbildung.