Israel-Besuch Gabriel fordert von Israel Strategie im Nahost-Konflikt
Jerusalem/Tel Aviv (dpa) - Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat Israel aufgefordert, eine klare Strategie für die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern vorzulegen.
Als Freund Israels sei er „zutiefst besorgt über Israels mittel- und langfristige Optionen“, sagte Gabriel am Mittwoch bei einer Ansprache auf einer sicherheitspolitischen Konferenz in Tel Aviv. „Was genau ist Israels Strategie in diesem Konflikt?“
Der erste Israel-Besuch von Gabriel neun Monate nach einem Eklat war von Differenzen bei den Themen Iran und Palästinenserstaat gekennzeichnet. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu würdigte nach einem Treffen mit Gabriel in Jerusalem den deutschen Beitrag zur Sicherheit Israels. Gabriel erklärte den Streit mit Netanjahu nach dem 40-minütigen Vier-Augen-Gespräch für beendet. „Das Thema ist, glaube ich, ausgeräumt“, sagte Gabriel vor Journalisten. Meinungsverschiedenheiten gebe es aber weiterhin.
Anschließend traf er Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Abbas sprach sich dabei für eine Vermittlerrolle Deutschlands und Frankreichs bei der Lösung des Nahost-Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern aus.
Im vergangenen April hatte Netanjahu einen Termin mit Gabriel platzen lassen, weil der nicht bereit war, auf ein Treffen mit regierungskritischen Organisationen zu verzichten. Der Bundesaußenminister sagte nun, Deutschland sei weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung und äußerte sich „sehr dankbar zu hören, dass auch die israelische Regierung zwei Staaten haben, aber für die Sicherheit an Israels Grenzen sorgen will“.
Netanjahu stellte daraufhin klar: „Ob es als Staat definiert werden kann, wenn wir die militärische Kontrolle haben, ist eine andere Sache, aber ich will lieber nicht über Begriffe, sondern über Inhalte sprechen.“ Eine Mehrheit innerhalb Netanjahus rechtsreligiöser Regierung und Netanjahus eigene Likud-Partei lehnen eine Zwei-Staaten-Lösung ab.
Gabriel kritisierte auch die Rolle Irans in regionalen Konflikten wie dem Jemenkrieg oder im Libanon. „Wir haben keine unterschiedlichen Meinungen zum Verhalten des Irans“, sagte er. In der Haltung zum Nuklearabkommen mit dem Iran, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll, sind beide Seiten allerdings uneins. Israel lehnt das Abkommen ab, das von Deutschland mit ausgehandelt wurde.
Zum jüngsten Jerusalem-Streit sagte Gabriel, aus deutscher und europäischer Sicht müsse der Status der Stadt in Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis geklärt werden. Im Rahmen einer Friedensregelung müsse es zwei Staaten geben - Israel und Palästina. Jerusalem könne für beide Staaten die Hauptstadt sein.
Die einseitige Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die USA habe dazu geführt, dass die Palästinenser die Vereinigten Staaten nicht mehr als ehrlichen Vermittler und als parteiisch ansehen. Ohne die USA seien Fortschritte beim Friedensprozess jedoch unmöglich, sagte Gabriel. Man werde versuchen, Abbas davon zu überzeugen, Verhandlungen zuzustimmen, „wenn die Amerikaner ein Vermittlungsangebot auf den Tisch legen“.
Gabriel betonte bei seiner Rede am Nachmittag, die USA hätten sich inzwischen eindeutig auf Israels Seite geschlagen. „Aber ist das wirklich nur eine gute Sache?“ Ohne die USA als Schlichter wären historische Errungenschaften wie etwa der Friedensschluss Israels mit Ägypten nicht denkbar gewesen, sagte Gabriel. „Können die Amerikaner immer noch eine solche Rolle spielen, wenn sie so offen Partei ergreifen? Werden andere versuchen, ihren Platz einzunehmen?“
Einige Mitglieder der rechtsreligiösen Regierung in Israel seien ausdrücklich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung. Diese sei aber immer „die Basis unseres Einsatzes für einen israelisch-palästinensischen Frieden und für die großen Finanzhilfen gewesen, die Deutschland und Europa für eine Unterstützung der Situation vor Ort zur Verfügung gestellt haben“, betonte Gabriel.
Abbas warb für eine Vermittlerrolle Deutschlands und Frankreichs bei der Lösung des Nahost-Konflikts. „Die Friedensverhandlungen sollen natürlich fortgesetzt werden. Wir zählen dabei sehr auf Deutschland und Frankreich“, sagte Abbas nach dem Treffen mit Gabriel. Die Vermittlung sollte fortgeführt werden durch das bestehende Nahost-Quartett aus den USA, Russland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen, „plus einer Anzahl europäischer und arabischer Länder“, sagte Abbas.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Netanjahu bereits vergangene Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos getroffen. Mitte Februar wird der israelische Ministerpräsident in Deutschland bei der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet. Die gegenseitigen Besuche gelten als Gelegenheit, die zuletzt angeschlagenen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder zu verbessern.