Analyse USA eröffnen Botschaft in Jerusalem
Jerusalem/Gaza (dpa) - Für die Israelis ein historischer Schritt, für die Palästinenser ein Auslöser für Zorn: Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hat das Potential, den festgefahrenen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu befeuern - zum Guten wie zum Schlechten.
Am Tag der Botschaftseröffnung sterben bei gewaltsamen Konfrontationen an der Gazasgrenze Dutzende Palästinenser, Hunderte werden von Schüssen verletzt.
Die israelische Politikexpertin Einat Wilf sieht Trumps Vorstoß trotz der palästinensischen Proteste als überwiegend positiv an. „Es war schon lange an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft ihre Einstellung zu Jerusalem ändert“, sagt sie. Die Welt habe an der fixen Idee festgehalten, dass selbst West-Jerusalem nicht als israelische Hauptstadt anerkannt werden könne. „Israelis leben schon seit 70 Jahren mit der klaren Einstellung, dass zumindest der westliche Teil der Stadt ihre Hauptstadt ist, unbestritten, legitim.“ Über den Ostteil könne verhandelt werden.
Die Entscheidung Trumps für die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt und die Verlegung der Botschaft war international scharf kritisiert worden. Deutschland lässt seine Vertretung in Tel Aviv. Andere Länder wollen sich den USA allerdings anschließen und ihre Botschaften ebenfalls verlegen.
Doch auch für viele liberale Israelis ist Jerusalem die Hauptstadt des Landes. „Jerusalem ist der Sitz der israelischen Regierung und daher sind Diplomaten und ausländische Botschaften Teil des dortigen Ökosystems“, erklärt Lior Schillat, Leiter des Jerusalem-Instituts für Politikforschung. Es sei daher positiv, „dass zumindest einige Botschaften nach Jerusalem umziehen werden“.
Israel hat den Ostteil Jerusalems im Sechstagekrieg 1967 erobert. Den Anspruch der Palästinenser auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen eigenen Staat Palästina lehnt Israel ab. Doch die internationale Gemeinschaft pocht darauf, dass der künftige Grenzverlauf in Verhandlungen beider Seiten geklärt wird. Dies hat auch Trump gesagt.
Zur Botschaftseröffnung im Viertel Arnona gelten an diesem Montag besonders scharfe Sicherheitsvorkehrungen, allein 1000 Polizisten sind in der Nachbarschaft positioniert. Verschiedene Spezialeinheiten, Grenzpolizisten und verdeckte Einheiten arbeiten mit der amerikanischen Security zusammen. „Wir haben die Dinge gegenwärtig sehr gut unter Kontrolle“, sagt Polizeisprecher Micky Rosenfeld. Es handele sich jedoch zweifellos um „eine der intensivsten Wochen“ der letzten Zeit.
Daniel Jonas wohnt nur wenige Gehminuten von der neuen Botschaft entfernt. „Es sind sehr intensive Sicherheitsvorkehrungen, plötzlich stoppt die Polizei Leute, die auf der Straße fahren“, sagt der 36-Jährige. „Es sind viele Menschen unterwegs, viele Journalisten, Leute versuchen, alle möglichen Informationen zu verkaufen, wie über die Architektur des Gebäudes.“ Die Straßen um die Botschaft seien abgesperrt.
Nahost-Experte Marc Frings sieht trotz der Aufrufe zu Massenprotesten bei den Palästinensern kein extremes Eskalationspotenzial. „Ich sehe nicht das Potenzial dafür, dass ein gewalttätiger Flächenbrand entsteht“, sagt der Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah. Der Fokus der Proteste werde auf dem Gazastreifen liegen. Problematisch sei aktuell, dass „verschiedene Unruheherde“ gemeinsam ihren Höhepunkt fänden.
Zu der Eröffnungszeremonie der Botschaft am Nachmittag wurden 800 Gäste erwartet. Trump wollte sich per Live-Schalte äußern. Nach einem Bericht des israelischen Fernsehens hat der US-Gesandte und Schwiegersohn von Trump, Jared Kushner, Netanjahu gesagt, Trump verfolge immer noch seinen Friedensplan.
Der US-Präsident hatte mehrfach den „ultimativen Deal“ im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern angekündigt. Mit der Eröffnung der Botschaft in Jerusalem erfüllt er ein Wahlkampf-Versprechen. Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hatte vor rund einer Woche davon gesprochen, dass Israel einen Preis für die Verlegung der Botschaft zahlen werden müsse. „Und der ist es wert“, sagte er nach Medienberichten. „Es gibt kein Gratis-Mittagessen.“