„Ich werde 100 Jahre weinen“ Bestürzung über Castros Tod in Kuba
Havanna (dpa) - Um kurz vor Mitternacht geht in der Diskothek an der Uferpromenade Malecón in Havanna die Musik aus - die Nachricht, die nun verkündet wird, trifft die Feiernden ins Mark: Fidel Castro ist tot.
Die jungen Leute stehen unter Schock, ein Kuba ohne Fidel ist für viele unvorstellbar. „Ich kann es nicht glauben“, sagt einer.
Im Staatsfernsehen erscheint schon vorher Präsident Raúl Castro, in olivgrüner Uniform an einem schlichten Schreibtisch. Mit gefasster Stimme gibt er den Tod seines großen Bruders bekannt.
„Liebes kubanisches Volk. Mit tiefer Trauer informiere ich unser Volk und unsere Freunde in Amerika und aller Welt, dass heute - am 25. November 2016 - um 22:29 Uhr am Abend der Kommandeur der kubanischen Revolution, Fidel Castro Ruz, gestorben ist“, sagt der kubanische Präsident am Freitagabend.
„Auf seinen Wunsch wird seine Leiche verbrannt. Am Samstag wird das Organisationskomitee für seine Beerdigung das Volk über die Veranstaltung zu Ehren des Gründers der kubanischen Revolution informieren. Immer bis zum Sieg.“
In einem Café in Havanna versammeln sich die Leute vor einem Fernseher. Sie warten auf weitere Nachrichten zum Tod des „Máximo Líder“. „Alle Kubaner weinen heute Nacht“, sagt die 42-jährige Marbelys einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur.
Seit dem Sieg der Revolution 1959 hat Castro die Geschicke der Karibikinsel gelenkt. Während seiner Amtszeit trotzte er zehn US-Präsidenten. Angeblich überlebte er mehr als 600 Mordanschläge. Ihn umgab die Aura eines Unsterblichen.
Andererseits sind die Kubaner eigentlich seit zehn Jahren auf diesen Tag vorbereitet. Bereits im Juli 2006 musste Fidel Castro nach einer schweren Darmerkrankung die Macht an seinen jüngeren Bruder Raúl abgeben. Bereits damals sei er am Rande des Todes gewesen, räumte er später ein.
„Ich werde 100 Jahre weinen“, sagt die 55 Jahre alte Verwaltungsangestellte Digna Maritza in Havanna. „Für mich ist Fidel alles, er hat eine Revolution für die Armen gemacht. Wir Armen schulden ihm alles.“
Für die einen ist Fidel Castro ein Held, für die anderen ein brutaler Diktator. Mit eiserner Faust regierte er die sozialistische Karibikinsel. Regierungskritiker ließ er ins Gefängnis werfen, die Kommunistische Partei regelt jeden Aspekt des öffentlichen und privaten Lebens auf Kuba.
In Little Havanna in Miami feiern die Exil-Kubaner den Tod des ihnen verhassten Revolutionsführers. Sie schwenken kubanische Flaggen, skandieren „Er ist gestorben, er ist gestorben“ und fahren in hupenden Autokorsos durch die Straßen, wie auf einem Video der US-Zeitung „Miami Herald“ zu sehen ist.
Auch in Havanna gibt es einige Leute, die sich über den Tod des Revolutionsführers freuen. „Gut, dass er tot ist. Jetzt fehlt nur noch der Bruder“, sagt Jorge Gonzalez vor einer Schwulen-Disco in Havanna. Der 22-Jährige sagt, er sei eigentlich Friseur, müsse sich aber prostituieren, um über die Runden zu kommen. „Was wir brauchen, sind Jobs.“
Die internationale Linke hingegen hat eine Ikone verloren. Venezuelas sozialistischer Regierungschef Nicolás Maduro schreibt auf Twitter: „Fidel hat sich auf den Weg in die Unsterblichkeit jener gemacht, die ihr ganzen Leben kämpfen. Immer bis zum Sieg.“
Ecuadors Staatschef Rafael Correa sagt: „Ein Großer ist von uns gegangen. Fidel ist gestorben. Es lebe Kuba. Es lebe Lateinamerika.“ Der salvadorianische Präsident und ehemalige Guerilla-Kommandeur Salvador Sánchez Cerén schreibt: „Fidel wird für immer im Herzen der solidarischen Völker leben, die wir für Gerechtigkeit, Würde und Brüderlichkeit kämpfen.“
Castro hat sein Ende kommen sehen: Beim Kongress der Kommunistischen Partei im April verabschiedete er sich bereits von den Delegierten. „Vielleicht ist es das letzte Mal, dass ich in diesem Saal spreche“, sagte er. „Wir alle kommen an die Reihe.“