Brüderle soll für FDP im Wahlkampf punkten

Berlin (dpa) - Die FDP will nach ihrem Führungsstreit bis zur Bundestagswahl jetzt auf Teamarbeit setzen. Auf einem vorgezogenen Bundesparteitag in Berlin stärkte sie dem neuen Führungsduo aus Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle den Rücken.

Bei dem Treffen ein halbes Jahr vor der Wahl wurde aber deutlich, dass die innerparteilichen Streitigkeiten noch nicht ausgestanden sind. Prominenteste Opfer einer Abstraf-Aktion wurden Entwicklungsminister Dirk Niebel und Gesundheitsminister Daniel Bahr.

Der lange Zeit heftig umstrittene Rösler kann mit dem Parteitag hingegen zufrieden sein. Der 40-Jährige wurde mit 85,7 Prozent (534 von 623 Stimmen, bei 72 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen) wiedergewählt. Bei seinem Debüt hatte er im Mai 2011 noch 95,1 Prozent bekommen. Nach den monatelangen Spekulationen über das bevorstehende Ende seiner politischen Karriere bedeutet dies auch einen persönlichen Erfolg. Rösler und Brüderle versprachen sich gegenseitig eine faire Zusammenarbeit.

Der Bundestags-Fraktionschef wurde am Sonntag unter großem Jubel zum Spitzenkandidaten für die Wahl am 22. September gekürt. Eine Abstimmung darüber gab es nicht. Wie Rösler bekannte er sich klar zur Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Beide warfen SPD und Grünen vor, Deutschland weiter in die Schulden treiben zu wollen. Rösler sagte, die FDP müsse als „Partei der Mitte“ Kurs halten. „Wenn wir zusammenstehen, wenn wir uns nicht beirren lassen, werden wir auch Erfolg haben.“ Brüderle nannte den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück eine „Fettnapf-Suchmaschine“, der den Deutschen Steuererhöhungen bis zu 40 Milliarden Euro aufbrummen wolle.

Nach allen Umfragen muss die FDP fürchten, im neuen Bundestag nicht mehr dabei zu sein. Im neuesten ZDF-„Politbarometer“ liegt sie bei 4 Prozent. Brüderle forderte die FDP-Mitglieder deshalb auf, den „blau-gelben Kampfanzug“ anzuziehen. Zugleich warnte er vor neuen Schulden, Verboten und Inflationsgefahren, wenn SPD und Grüne an die Regierung kämen. „Wir überlassen nicht diesen Fuzzis, diesen fehlprogrammierten Typen unser Land.“

Geprägt war der Parteitag aber auch von Abrechnungen. Sie begannen damit, dass der nordrhein-westfälische Hoffnungsträger Christian Lindner - von vielen schon als künftiger Parteichef gehandelt - als neuer Bundes-Vize mit 77,8 Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis als Rösler erhielt. Lindner sprach anschließend von einem „reinigenden Gewitter“.

Noch schlimmer erwischte es Niebel, der offen Röslers Ablösung betrieben hatte, und auch Bahr. Trotz ihres Minister-Bonus fielen beide bei der Wahl ins FDP-Präsidium durch. Stattdessen wurde der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki erstmals in die Parteiführung gewählt. Kubicki gehörte in den vergangenen Jahren zu den schärfsten Kritikern der FDP-Spitze in Berlin.

Rösler sagte am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ der ARD, man müsse sich wegen dieser Wahlergebnisse keine Sorgen machen. „Denn jetzt ist Teamplay angesagt und zwar gilt das für den Spitzenkandidat, den Parteivorsitzenden, für all unsere Bundesminister und natürlich auch für Wolfgang Kubicki.“ Sein eigenes Ergebnis finde er „großartig“.

Röslers bisherige erste Stellvertreterin Birgit Homburger wurde als Vize abgewählt. Dagegen konnten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (83,7 Prozent) und Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow (49,7) ihre Stellvertreter-Posten behaupten. Homburger gelang es wenigstens noch, den letzten Beisitzerposten im Präsidium zu bekommen. Wiedergewählt wurden Generalsekretär Patrick Döring (65,6 Prozent) und Schatzmeister Otto Fricke (96,1).

In seiner einstündigen Rede machte Rösler auch Unterschiede zum Koalitionspartner CDU/CSU deutlich - etwa in der Debatte über einen gesetzlichen Mindestlohn oder die Homo-Ehe. Brüderle ging in seiner Nominierungsrede mit dem Koalitionspartner noch härter ins Gericht. Der 67-Jährige warf der Union vor, immer näher an die SPD heranzurücken. „Die Union hat ein bisschen viel sozialdemokratischen Speck angesetzt.“ Der Parteitag beschloss, noch vor dem nächsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die volle Gleichberechtigung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe zu drängen.

Wegen des monatelangen Führungsstreits war der Parteitag um zwei Monate vorgezogen worden. Vor der Bundestagswahl will sich die FDP aber nochmals Anfang Mai in Nürnberg treffen, um das Wahlprogramm zu verabschieden. Erst dann will die Partei auch ihre Position zur möglichen Einführung weiterer Lohnuntergrenzen festlegen. Mehrere Redner forderten die FDP-Spitze auf, bei der klaren Ablehnung von Mindestlöhnen zu bleiben.