Bundestrainer Löw plant nicht mehr mit Ballack

Frankfurt/Düsseldorf (dpa) - Bundestrainer Joachim Löw hat den überfälligen Schlussstrich gezogen und die Ära Michael Ballack in der Nationalmannschaft beendet. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine wird sein langjähriger „Capitano“ nicht mehr dabei sein.

„Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass viele junge Spieler in den Blickpunkt gerückt sind und gute Perspektiven besitzen“, begründete Löw die am Donnerstag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) veröffentlichte Entscheidung. „Mit ihnen ist die Entwicklung der Nationalmannschaft seit der WM 2010 in Südafrika absolut positiv verlaufen.“

Der 34 Jahre alte einstige Weltstar hüllte sich nach dem verordneten Karriereende im Nationalteam zunächst in Schweigen. Auch in der DFB-Erklärung gibt es keinerlei Stellungnahme von Ballack, der seinen Hut keineswegs freiwillig nehmen wollte. „In unseren Gesprächen hatte ich den Eindruck, dass Michael durchaus Verständnis für unsere Sichtweise hat“, sagte Löw dazu vieldeutig.

Bei einem Treffen Ende März und in weiteren Telefonaten hatte Löw das Thema mit Ballack „in aller Offenheit“ erörtert. Und nun sei vor dem Start in die EM-Saison der Zeitpunkt gekommen, „hier klar Position zu beziehen“. Vor Ballack hatte Löw dessen langjährigen Mittelfeldpartner Torsten Frings im DFB-Team ausgemustert. Ballack wird am Sonntag nach einem Amerika-Urlaub zum Trainingsauftakt bei Bayer Leverkusen erwartet.

„Michael Ballack war ein Jahrzehnt ein sehr wichtiger Führungsspieler der Nationalmannschaft und hat enormen Anteil an den großen Erfolgen des Teams seit der WM 2002“, zollte Löw dem 98-maligen Nationalspieler Anerkennung. Er habe eine Ära geprägt und sich als Kapitän stets in den Dienst der Mannschaft gestellt.

Der DFB will Ballack, der zuletzt auch in Leverkusen immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte, einen würdigen Abschied bereiten. Geplant ist, dass Ballack das deutsche Team am 10. August beim Testspiel gegen Rekord-Weltmeister Brasilien in Stuttgart ein letztes Mal als Kapitän auf das Feld führt und sein 99. Länderspiel bekommt. „Diese Überlegungen sind ihm seit längerem bekannt. Wir hoffen, dass er dieses Angebot annimmt“, sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach. Es ist aber mehr als fraglich, ob der grollende Ballack nach der Ausbootung noch einmal an Bord gehen wird.

Kritik an Löws Machtwort übte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. „Wir bedauern diese Entscheidung, weil wir der Meinung sind, dass Michael Ballack nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Nationalmannschaft sein könnte“, sagte er. „Aber es ist die Entscheidung des Bundestrainers. Auch wenn man über den späten Zeitpunkt diskutieren kann, respektieren wir sie.“

Erleichtert und pragmatisch reagierte dagegen Rudi Völler auf die Nachricht von Löw. „Nachdem diese Frage endgültig geklärt ist, kann sich Michael nun voll und ganz auf Bayer 04 Leverkusen konzentrieren“, sagte der Sportdirektor des deutschen Vizemeisters.

Ballack hatte sich vor der WM in Südafrika durch ein Foul des Ex-Bundesligaprofis Kevin-Prince Boateng im englischen Cup-Finale mit dem FC Chelsea schwer verletzt und musste auf die Titelkämpfe verzichten. Kurz nach seiner Rückkehr zu Bayer 04 hatte er sich eine Fraktur des Schienbeinköpfchens zugezogen und musste erneut monatelang pausieren.

Sein letztes Länderspiel bestritt der Mittelfeldspieler am 3. März 2010 beim 0:1 im Test gegen Argentinien. Insgesamt schoss Ballack für Deutschland 42 Tore. 2002 führte er die DFB-Elf bei der WM in Japan und Südkorea zur Vizeweltmeisterschaft, verpasste wegen einer Gelb-Sperre aber das Finale gegen Brasilien. 2008 stand Ballack mit der Nationalmannschaft in Wien im EM-Finale.

Zuletzt drängten aber immer mehr junge Spieler in der DFB-Elf nach vorne. Dauerhafte Ansprüche auf die Kapitänsbinde meldete zudem Philipp Lahm an, der die deutsche Mannschaft in Abwesenheit von Ballack in Südafrika auf Platz drei führte. „Auch nach mir geht der Fußball weiter. Und es geht gut weiter“, hatte Ballack im Dezember in einem Interview mit dem Kölner „Express“ gesagt. Damals hatte er noch die Hoffnung, dazu beitragen zu können.