Tränen & Tragik: Ballack bleibt unvollendet
München (dpa) - Tränen und Tragik - die Länderspiel-Karriere von Michael Ballack bleibt trotz großer Momente die Geschichte eines ewig Unvollendeten.
Die Krönung, der ersehnte WM- oder EM-Titel, blieb dem langjährigen Kapitän, der ein Jahrzehnt lang in 98 Länderspielen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft geprägt hat, versagt.
Der bittere Abschied auf Raten begann im Mai 2010. Ein brutaler Tritt von Gegenspieler Kevin-Prince Boateng im englischen Pokalfinale beendete Ballacks Traum von einer dritten WM-Teilnahme. Mit finsterer Miene und tiefen Ringen unter den Augen stand der deutsche „Capitano“ damals im Münchner Marienhof vor der Praxis von DFB-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Dieser hatte zuvor die niederschmetternde Diagnose gestellt; ein Innenband und ein Teil des vorderen Syndesmosebandes im Sprunggelenk des rechten Fußes waren zerstört.
„Ich bin sauer, ganz klar“, stammelte Ballack nach der für ihn „schlimmsten Diagnose“ der Karriere. Auf Krücken humpelte er davon - und ohne den für unersetzbar gehaltenen Anführer spielte sich die junge deutsche Nationalmannschaft angeführt von Ersatzkapitän Philipp Lahm beim WM-Turnier in Südafrika in die Herzen der Fußball-Fans.
Ballack, der am 28. April 1999 in Bremen gegen Schottland (0:1) im Nationalteam debütierte, hatte nach dem WM-Aus eigentlich die EM 2012 zu seinem neuen Ziel erklärt. Doch schon in Südafrika wurden erste Stimmen laut, ob das stark verjüngte Team von Bundestrainer Joachim Löw den „Capitano“ überhaupt noch brauchen würde.
Eine Fraktur am Schienbeinkopf warf ihn im Herbst 2010 in Leverkusen erneut und endgültig zurück - auch nach dem Comeback des 34-Jährigen blieb der Ruf von Löw vor jedem Länderspiel aus. Die EM 2012 geriet in immer weitere und nun sogar unerreichbare Ferne.
An nationalen Ehren hat es dem torgefährlichen Mittelfeldspieler nie gemangelt. Als 21-Jähriger wurde er 1998 mit Bundesliga- Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern unter Trainer Otto Rehhagel erstmals deutscher Meister. Es folgten drei weitere Meistertitel und drei DFB-Pokalsiege mit dem FC Bayern München. Den Wechsel zum FC Chelsea nach England begründete er 2006 mit dem unbedingten Willen, die Champions League gewinnen zu wollen. Es reichte aber auch in England wieder nur zu nationalen Auszeichnungen in Meisterschaft und Pokal - und mit Leverkusen wurde er in der vergangenen Bundesliga-Saison einmal mehr Zweiter.
„Glück ist eine andere Bezeichnung für Willensstärke“, nannte der DFB-Leitwolf auf der Nationalmannschafts-Homepage sein Credo. Dass ihm selbst das Pech anhaftet, konterkariert das eigene Motto. Denn an Einsatz ließ es der 42-malige Torschütze nie mangeln.
Sein mit Gelb bestraftes Not-Foul im WM-Halbfinale gegen Südkorea (1:0) kurz vor seinem Siegtreffer war Startschuss einer schmerzhaften Historie. Im Endspiel gegen Brasilien (0:2) fehlte Ballack gesperrt. Zuvor hatte er mit Bayer Leverkusen das Vize-Triple in Meisterschaft, Pokal und dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Real Madrid hingelegt - doch es blieben ja im Frühsommer einer damals hoffnungsvollen Karriere noch viele Chancen.
Ballacks Final-Trauma sollte sich jedoch fortsetzen. Bei der Heim-WM 2006 wurde der Einzug ins Sommermärchen-Endspiel gegen Italien (0:2 n.V.) in letzter Sekunde verspielt. 2008 bei der EM war Spanien (0:1) im Endspiel übermächtig und Ballack so gefrustet, dass er sich noch auf dem Rasen zu einem verbalen Disput mit Teammanager Oliver Bierhoff hinreißen ließ.
Noch bitterer als die finalen Nationalmannschaftspleiten war für den gebürtigen Sachsen, der als Kind Altpapier und Flaschen sammelte, um sein Taschengeld aufzubessern, die Reise nach Moskau mit dem FC Chelsea im Mai 2008. Nach sechs Jahren endlich wieder im Champions League-Finale angekommen, fehlte im Elfmeterschießen gegen Manchester United noch ein Treffer - doch John Terry schoss an den Pfosten. Wieder jubelten die Gegner und Ballack weinte im strömenden Regen wie ein kleiner Junge.