Cyber-Expertin: Jedes IT-System ist angreifbar
München (dpa) - Der Angriff kam via Internet. Unbekannte Hacker, möglicherweise aus den Reihen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), haben stundenlang den französischen Sender TV5 Monde lahmgelegt.
Dabei könnten sich ähnliche Angriffe auch noch gegen weit sensiblere Ziele richten. In einem schriftlichen Interview mit der Nachrichtenagentur dpa warnt Professorin Gabi Dreo vom Forschungszentrum Cyber Defence der Universität der Bundeswehr in München, dass auch Flughäfen oder Atomkraftwerke Ziel von möglichen Cyber-Attacken sein könnten.
Hacker haben einen Fernsehsender angegriffen. Können solche Täter auch sensiblere Einrichtungen treffen, etwa Stromnetze, Flughäfen oder Atomkraftwerke?
Die Informations- und Kommunikationstechnik durchdringt alle Bereiche moderner Gesellschaften und ist die Basis einer digitalen Gesellschaft. Dabei ist jedes IT-System potenziell angreifbar. Alle Bereiche der digitalen Gesellschaft sind somit auch potenziell gefährdet. Insbesondere sind kritische Infrastrukturen wie unter anderem Stromnetze, sogenannte Smart Grids, Flughäfen oder Atomkraftwerke im Fokus der Angreifer.
Wie lassen sich solche Einrichtungen schützen?
Cyber-Sicherheit fordert eine umfassende Betrachtung der organisatorischen, konzeptionellen und technischen Aspekte. Daher muss für den Schutz dieser Einrichtungen ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden. In der Cybersicherheitsstrategie für Deutschland, die durch die Bundesregierung 2011 beschlossen wurde, ist der Schutz kritischer Infrastrukturen vor IT-Angriffen verankert.
Wie groß ist die Bedrohung durch Hackerangriffe für Nationen wie Deutschland oder Frankreich?
Industriestaaten wie Deutschland und Frankreich stehen aufgrund ihrer globalen Vernetzung sowie hohen technologischen Standards verstärkt im Fokus von Cyber-Angriffen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik veröffentlicht jedes Jahr den Lagebericht zur IT-Sicherheit. Für 2014 wurde die Gefährdungslage für die IT in Deutschland hinsichtlich des zu verzeichnenden Angriffspotenzials als kritisch angesehen.
Werden solche Angriffe künftig Teil einer neuen Kriegsführung?
Cyberattacken sind bereits heute Teil der Kriegsführung. Angriffe auf die virtuelle Welt, ob für militärische, kriminelle oder terroristische Zwecke, sind allgegenwärtig. Schon der Cyber-Angriff auf Estland im Jahr 2007 zeigte die möglichen Beeinträchtigungen einer digital geprägten Gesellschaft.
Haben Staaten und Unternehmen die Bedrohung erkannt und tun sie genügend dagegen?
Die Cyberbedrohung wurde erkannt, jedoch muss für die Abwehr in der virtuellen Welt weit mehr getan werden. Hierbei besteht Nachholbedarf beginnend bei der Entwicklung von adäquaten IT-Sicherheitslösungen, -konzepten und -strategien bis hin zur Stärkung des Sicherheitsbewusstseins jedes Einzelnen.
Zur Person: Die aus Slowenien stammende Wissenschaftlerin Gabi Dreo ist 2013 Sprecherin des Forschungszentrum CODE (Cyber Defence) an der Universität der Bundeswehr in München und ist seit 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit