Analyse Der Fall des Exgenerals oder die Unsicherheit im Weißen Haus
Washington (dpa) - Es gibt an dieser Geschichte sehr vieles, was Donald Trump nicht gefallen kann. Sein Nationaler Sicherheitsberater weggebrochen, ein Eckstein seines Machtgefüges. Das Image des Machers, dem alles gelingen soll: angekratzt.
Die Glaubwürdigkeit seines Vizepräsidenten: beschädigt. Die ständigen Leaks aus dem Weißen Haus: eine Katastrophe für seine Präsidentschaft. Michael Flynns Rücktritt beweist zudem, dass der Journalismus in den USA quicklebendig ist. Und nicht zuletzt ist diese Affäre mit dem selbstgewählten Rückzug des Ex-Generals noch lange nicht zu Ende.
Ganze 24 Tage war Michael Flynn im Amt. Gestürzt über Telefonate mit dem russischen Botschafter, bevor Trump überhaupt US-Präsident war. Es ging um das Thema Sanktionen gegen Russland, das steht nun fest - aber Flynn hat so lange steif und fest das Gegenteil behauptet, dass Mike Pence schließlich vertrauensselig in die Spur ging: Der Vizepräsident, von Anfang an nicht begeistert von Flynn, erklärte in mehreren TV-Interviews, er glaube ihm. Flynn aber hatte, wie er in der Nacht zum Dienstag in seinem Rücktrittsgesuch schrieb, Pence und andere „unabsichtlich“ unvollständig informiert.
Es gibt auch in Trumps Welt der Halb- und Nichtwahrheiten Grenzen. Mindestens zwei, das lehrt der Fall des Michael Flynn. Erstens: Mike Pence ist ein gemütvoller Mann, der schwer aus der Ruhe zu bringen sein soll - aber ihn anzulügen, ist keine gute Idee. Zweitens: Diese Affäre kam nicht nur dem Vize, sondern Trump selbst nahe, das wurde zu gefährlich.
Denn besonders heikel ist für Trump: Das Justizministerium hat das Weiße Haus schon vor Zeiten gewarnt - Vorsicht, Flynn hat mit den Russen über das Thema Sanktionen gesprochen, er könnte erpressbar sein, das belegte ein Telefonmitschnitt. Sally Yates war das, damals amtierende Chefanklägerin, später von Trump im Zusammenhang mit dem Einreisebann entlassen. Der Nationale Sicherheitsberater hätte wissen können, dass solches Abhören routinemäßig geschieht.
Wenn aber früh klar war, dass Flynn ein Sicherheitsrisiko ist, wie lange und worauf wollte das Weiße Haus dann warten? Und was sagt das über das Verhältnis zu Russland? Wer verfolgt hier welche Interessen, hat Flynn alleine gehandelt oder im Auftrag? Trump hat oft und lange schon gesagt, wie sehr er sich ein anderes Verhältnis zu Moskau wünscht. Flynn und er haben sich hier bestens ergänzt, die Nähe des Ex-Generals auch zu Präsident Wladimir Putin ist belegt. Die „New York Times“ hat einmal geschrieben, man könne bei diesem Thema gar nicht sagen, wo Trumps Meinungen endeten und wo Flynns anfingen.
Wurde Flynn gefeuert, oder wollte er gehen? Dazu gibt es am Dienstag zwei Darstellungen. Die „Washington Post“ schreibt, Trump habe Flynn halten wollen, Zeit gewinnen, Optionen wägen. Kellyanne Conway sagte, Flynn habe seinen Rücktritt selber eingereicht. Aber Trumps Sprecher Sean Spicer wird am Dienstag sagen, Trump habe Flynn eigenhändig entlassen. Außerdem sei Trump vor längerem informiert worden. Letztlich sei das alles eine Frage erodierenden Vertrauens gewesen.
Das klingt so, als habe Trump Flynn zwar vor die Tür gesetzt, finde aber nicht wirklich, dass er etwas falsch gemacht oder sich juristisch anstößig verhalten habe. Mit dieser Informationslage kann sich dieser Sturz zu einer handfesten Affäre auswachsen.
Michael Flynn ist einen weiten Weg gegangen. Er wurde als ausgezeichneter und erfahrener Soldat beschrieben, aber irgendwann scheint er fachlich und ideologisch weggerutscht zu sein. Seine Ansichten zum Islam wurden immer extremer, er flößte vielen regelrecht Angst ein. Wer mit ihm sprach, beschrieb ihn als eifernden Ideologen mit verqueren Ansichten. Viele schlossen sich der Meinung des Autors George Packer an, der Flynn als mit Abstand gefährlichsten Mann in Trumps Team bezeichnete.
Unter Barack Obama musste Flynn schon einmal einen Posten räumen, als Chef des US-Militärgeheimdienstes DIA. Von Trump an Bord des Wahlkampfteams geholt, irritierte der schneidige Mann mit dem Anführen eines „Sperrt sie ein!“-Chores auf dem Parteitag in Cleveland, wollte Hillary Clinton ins Gefängnis bringen.
Trump hat außenpolitisch keine Erfahrung und wird als sicherheitspolitisch ahnungslos beschrieben, das macht die Rolle des Nationalen Sicherheitsberaters 2017 und folgende so speziell. Diese Person steht für die professionelle, ruhige, sichere, abgewogene und fehlerfreie Koordination aller sicherheitspolitisch relevanten Ereignisse. National und international. Sie ist die letzte, die das Ohr des Präsidenten vor seiner Entscheidung hat.
Zunächst sitzt nun Keith Kellogg auf diesem heißen Stuhl, ein weiterer Ex-General dieses an hochdekorierten Militärs nicht armen Kabinetts. Ob er bleibt, ist offen. Mit ihm werden die Namen David Petraeus (Ex-General) und Robert Harward (Ex-Admiral) genannt.
Niemand anders als Stephen Bannon soll schon seit Freitag auf Flynns Rücktritt gedrungen haben, Trumps gern im Verborgenen wirkender Chefstratege. Das Weiße Haus ist dieser Tage ein shakespearehafter Ort voller Ranküne und Durchstechereien. Es vergeht buchstäblich kein Tag, an dem nicht eine Geschichte voller saftigster Details aus den Innereien dieser Machtmaschine erschiene, gestützt auf gleich mehrere Dutzend Mitarbeiter. Das Regieren, es wird so nicht leichter.
Auch kommunikativ gab sich das Weiße Haus in diesem Skandal als Hühnerhaufen, nach wie vor gibt es keine wirksame Koordination der Öffentlichkeitsarbeit. Soeben hatte die stählerne Vorneverteidigerin Conway Flynn am Montag öffentlich Trumps Vertrauen versichert, als Sprecher Sean Spicer wissen ließ, der Präsident „prüfe“ noch. Eine solche Prüfung geht für den Probanden oft nicht gut aus. Am Abend reichte Flynn sein pathetisch abgefasstes Gesuch ein, sang zum Abschied nochmals das Hohe Lied auf Trump. Der Präsident akzeptierte beides. Ob die am Dienstag ausgegebene Verteidigungslinie zu halten ist, scheint mindestens fraglich. Diese Affäre steht erst am Anfang.