Der Ise-Schrein: Zu Besuch bei Japans Sonnengöttin
Ise-Shima (dpa) - Der G7-Gipfel beginnt diesmal mit dem Besuch eines besonderen Heiligtums. Der Ise-Schrein ist der heiligste Schrein der japanischen Ur-Religion Shinto.
Seit mehr als einem Jahrtausend wird hier die Sonnengöttin Amaterasu verehrt, einer Art mythischer Urmutter Japans. Sie ist die Schutzgottheit der Nation und die mythische Urahnin des Kaisers. Der Kaiser gilt als Oberhaupt des Shinto. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Niederlage im Zweiten Weltkrieg in Japan wurde die Naturreligion von der militaristischen Regierung für ihre nationalistischen Zwecke zu einer Staatsideologie, dem Staats-Shinto. Als Oberster Priester des Ise Jingu galt der Kaiser als Gott. Nach Japans Niederlage entsagte der Kaiser seiner Göttlichkeit, der Staats-Shinto wurde verboten.
Noch heute steht dem Ise-Schrein ein Mitglied der Kaiserfamilie vor. Der Innere Schrein (Naiku) der riesigen bewaldeten Anlage ist das Sanktuarium der Sonnengöttin Amaterasu. Hier wird eines der drei Throninsignien, ein Spiegel, aufbewahrt. Man erreicht den wohl bedeutendsten der Ise-Schreine über die Uji-Brücke am Isuzu-Fluss. Seit dem 7. Jahrhundert wird das Holzhaus alle 20 Jahre auf einer mit Kieselsteinen bedeckten Fläche neben dem Heiligtum in Originalform wieder aufgebaut und die alten Gebäude abgetragen - zuletzt 2013.
Der Besuch der G7-Chefs gilt als symbolisch bedeutend für Japans rechtskonservativen Ministerpräsident Shinzo Abe, der Japans traditionelle Werte wiederbeleben und den Patriotismus im Land stärken will. Im Ise-Schrein könnten die Besucher am besten mit „Japans Seele“ in Berührung kommen, sagte Abe. Kritiker warnen, er wolle den Schreinbesuch für seine nationalistische Agenda instrumentalisieren. Die Nachkriegsverfassung schreibt eine klare Trennung von Staat und Religion vor. Abe wünscht sich, dass der Shinto künftig eine prominentere Rolle in der Gesellschaft spielt.