Analyse Der Sturm der Entrüstung über die „Drecksloch-Staaten“

Washington (dpa) - Es ist ein Sturm der Entrüstung, der am Donnerstagabend jäh und heftig über Donald Trump und das Weiße Haus hereinbricht. Wieder einmal steht der US-Präsident dabei mitten im Zentrum.

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Tagsüber hatte er sich mit Senatoren getroffen, es ging um das Thema Einwanderung, um Migranten aus Haiti und El Salvador und Visa für afrikanische Staaten. Trump soll dabei der Kragen geplatzt sein, er soll sich verächtlich über bestimmte Länder geäußert haben, sie „Drecksloch-Staaten“ genannt haben. So zumindest berichten es die „Washington Post“ und andere US-Medien.

Die Berichte lösten international scharfe Reaktionen aus. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen warf dem Präsidenten Rassismus vor, El Salvador forderte eine Klarstellung, Botsuana bestellte den amerikanischen Botschafter ein.

Trump dementierte die abfällige Ausdrucksweise, blieb dabei aber so vage und unklar, dass es immer noch viel Raum für Interpretationen ließ.

Man kennt das inzwischen schon von ihm. Reflexartig folgt auf etwas, das der US-Präsident sagt oder tut, eine Welle der Empörung. Äußerungen werden millionenfach multipliziert, sie werden in aufgeregten Analysen von CNN und anderen Sendern kommentiert, sie werden von Senatoren und Abgeordneten verurteilt. Immer wieder kommt in solchen Fällen die Frage auf, ob Trump diesmal zu weit gegangen sei. Immer wieder geht er noch weiter. Reue zeigt der Präsident nie, Entschuldigungen gibt es nicht.

Schon ohne die kolportierten Bemerkungen über die „Drecksloch-Staaten“ bot die Nachrichtenlage in Washington am Donnerstag erheblichen Zündstoff. Mitten hinein in den Nachmittag platzte ein Interview des „Wall Street Journal“ mit dem Präsidenten, in dem dieser mit der Aussage überraschte, er habe wahrscheinlich ein gutes Verhältnis zu Kim Jong Un.

Angesichts der Tatsache, dass sich Trump und der nordkoreanische Machthaber monatelang mit Beleidigungen und scharfen Drohungen überzogen haben, ist das mehr als bemerkenswert. Auch weil es Fragen danach aufwirft, welche Worte des Präsidenten Gültigkeit besitzen, ob sie in vielen Fällen überhaupt noch ernstzunehmen sind.

Aber die Sätze zu Nordkorea spielen am Freitag kaum eine Rolle, gehen unter im großen Rauschen. Ebenso wie die Tatsache, dass eine wichtige Entscheidung Trumps zum Atomabkommen mit dem Iran ansteht.

Und auch der eigentliche Anlass des Treffens zwischen Trump und den Kongressmitgliedern, bei dem seine abfälligen Bemerkungen gefallen sein sollen, rückt völlig in den Hintergrund. Seit Monaten hatte eine Gruppe von drei republikanischen und drei demokratischen Senatoren über einen Kompromiss in der Einwanderungspolitik verhandelt. Der Kongress muss dringend eine Lösung für das Daca-Programm finden. Sonst droht hunderttausenden jungen Migranten die Abschiebung, weil sie ihren temporären Aufenthaltsstatus verlieren.

Am Donnerstag einigte sich die Gruppe auf einen parteiübergreifenden Entwurf. Die Umrisse: Die hundertausenden Migranten, die bislang durch Daca einen temporären Schutzstatus hatten, sollen langfristig amerikanische Staatsbürger werden können. Das Paket sieht zudem Gelder für den Grenzschutz vor, darunter auch 1,6 Milliarden für die Planung und die Konstruktion der Mauer, die Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will.

Der Republikaner Lindsey Graham und der Demokrat Dick Durbin waren federführend bei den Plänen. Am Donnerstag waren sie mit Trump verabredet, um ihm die Details zu erklären. Aber bei ihrem Treffen waren sie nicht allein mit ihm, mehrere sehr konservative Republikaner waren ebenfalls gekommen. Darunter Tom Cotton, Senator aus Arkansas und ein Hardliner beim Thema Einwanderung. Laut „Washington Post“ soll Trumps rechtspopulistischer Berater Stephen Miller die anderen Senatoren dazu geholt haben - aus Sorge, dem Präsidenten könne ein zu weicher Kompromiss aufgetischt werden.

Das was Graham und Durbin dem Präsidenten vorlegten, gefiel Trump aber ohnehin nicht. Er störte sich Berichten zufolge besonders daran, dass die Senatoren vorschlugen, 50.000 Visa, die jährlich über ein Lotterieverfahren vergeben werden, künftig an Menschen zu geben, die bislang einen besonderen Schutzstatus hatten. Das sogenannte TPS-Programm hatte Flüchtlingen aus Haiti und El Salvador sowie weiteren Ländern einen vorübergehenden Aufenthaltstatus gegeben. Trumps Regierung ließ diesen aber auslaufen. Damit müssen hunderttausende Menschen, die oft schon seit vielen Jahren in den USA leben, in ihre Heimatländer zurückkehren.

Darunter sind rund 59.000 Haitianer. Die USA hatten sie 2010 nach dem schweren Erdbeben in dem armen Karibikstaat aufgenommen. Dass Trump bei dem Treffen gesagt haben soll, er wolle die Menschen aus Haiti nicht im Land haben, wird durch einen besonderen Umstand sehr zynisch. Das schwere Erdbeben auf Haiti jährte sich am Freitag zum achten Mal.