Der umstrittene Euroretter: Mario Draghi
Frankfurt/Main (dpa) - Für viele ist er de facto Europas mächtigster Mann: Mario Draghi, seit November 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB).
Als der Währungsraum im Sommer 2012 vor der Zerreißprobe stand, beruhigte der Italiener mit wenigen Worten die Lage: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein.“ Doch auch Machtworte wie diese reichten nicht ganz, um die Dauerkrise zu beenden.
Draghi zeigte sich als EZB-Präsident erfinderisch: Die Notenbank pumpte Billionen billiges Geld ins Bankensystem, schaffte die Zinsen im Euroraum quasi ab und schuf ein Kaufprogramm, um notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu erwerben. Und auch die zuletzt gefährlich niedrige Inflation will Europas oberster Währungshüter mit allen Mitteln bekämpfen - natürlich „im Rahmen des Mandats der EZB“, wie Draghi bei jeder Gelegenheit versichert.
Kritiker werfen dem 66-Jährigen vor, die Befugnisse der Notenbank überdehnt zu haben und die Geldpolitik zum Spielball der Regierungen - vor allem der Krisenstaaten - gemacht zu haben. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann etwa warnte immer wieder vor Nebenwirkungen des billigen Geldes: Notenbank-Finanzierung könne „süchtig machen (...) wie eine Droge“. Für seine Unterstützer dagegen gehört Draghi zu den „Helden der Krise“. So formulierte es IWF-Chefin Christine Lagarde Ende Mai bei einer EZB-Tagung.
Angetreten war Draghi am 1. November 2011 mit dem Versprechen, in der Tradition der Deutschen Bundesbank stabile Preise zu garantieren. Die „Bild“-Zeitung verpasste „Super-Mario“ zum Amtsantritt gar eine Pickelhaube: Der Helm sollte den ehemaligen Chef der italienischen Notenbank (2006-2011) an preußische Tugenden erinnern.
Doch gerade in Deutschland eckte Draghi mit seinem Krisenkurs immer wieder an. Er sah sich als erster EZB-Präsident zu einer Charmeoffensive vor Industriellen und im Bundestag gezwungen - mancher sprach vom „Gang nach Canossa“ - und er musste miterleben, wie das Bundesverfassungsgericht das Herzstück der Euro-Rettung infragestellte: das Anleihe-Kaufprogramm der EZB. Auch wenn dies in der Praxis bisher nie genutzt wurde, muss nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären, was die Währungshüter eigentlich dürfen und was nicht.
Keine Frage: Der frühere Exekutivdirektor der Weltbank (1984-1990) und spätere Goldman-Sachs-Investmentbanker (2002-2005) übernahm im November 2011 ein schweres Erbe in einer tiefen Krise. Und legte los wie die Feuerwehr: Gleich zum Einstand senkte Draghi überraschend die Zinsen. Dabei sollte es nicht bleiben. Trotz der Kritik hielt der ehemalige Jesuitenschüler unbeirrt Kurs. „Der Euro ist unumstößlich“, meint Draghi.