Deutsche Bank & Co Die gefährliche Schwäche europäischer Geldhäuser
New York/Frankfurt (dpa) - Auf Augenhöhe mit der Wall Street, das war einmal: Unter den fünf größten Investmentbanken der Welt findet sich kein einziges europäisches Institut mehr, zeigen jüngste Daten des Branchendienstleisters Coalition.
JP Morgan, Goldman Sachs, Citigroup, Bank of America, Morgan Stanley: Die Amerikaner machen die Spitze unter sich aus - und Europas Banken fallen zurück.
Die Deutsche Bank rutscht im Ranking auf Platz sechs, nach Platz 3 vor Jahresfrist. Sie hat nach eigenen Angaben wegen ihres Sparkurses bewusst auf Geschäft verzichtet. Auch knapp ein Jahr, nachdem Vorstandschef John Cryan einen Konzernumbau verkündete, findet Deutschlands größte Bank kaum aus der Krise: Ein Mini-Gewinn im zweiten Quartal, eine schwierige Trennung von der Postbank, eine drohende Strafe von 14 Milliarden Dollar in den USA wegen windiger Hypothekengeschäfte, die Aktie im Sturzflug.
Doch die Deutsche Bank ist nicht der einzige Problemfall. Auch die Commerzbank steckt seit Jahren in der Krise. Rund 9000 Stellen könnte sie laut Finanzkreisen im Kampf gegen sinkende Gewinne abbauen - fast ein Fünftel aller Jobs im Konzern. Auch das zeigt: Seit der Finanzkrise 2008 hat sich die transatlantische Bankenwelt zu einer Zweiklassengesellschaft entwickelt. Während US-Banken längst wieder mehr verdienen als vor dem Crash, gibt es in Europa etliche Wackelkandidaten, die auch acht Jahre danach nicht saniert sind.
„Europas Banken kämpfen an vielen Fronten“, sagt Dirk Müller-Tronnier von der Beratungsgesellschaft EY. Die Geldhäuser litten unter den Niedrigzinsen, strengeren Vorschriften und gerade in Südeuropa unter einem Berg an faulen Krediten, der die Bilanzen belaste. „Europäische Institute können bisher kaum nach vorne schauen“.
Eine Studie von EY zeigt die Kluft zwischen den Kontinenten. Demnach haben die zehn größten US-Institute seit 2012 insgesamt 468 Milliarden Euro Gewinn erzielt, die europäischen kamen mit 98 Milliarden nicht einmal auf ein Viertel. Darunter sind die kriselnde Royal Bank of Scotland und Barclays, die Schweizer UBS, die spanische Santander und als hiesige die Deutsche Bank. „Die Gewinne der US-Banken liegen seit Jahren höher“, sagt Müller-Tronnier.
Allein im ersten Halbjahr verdienten die Amerikaner 47 Milliarden Euro, ein Minus von 20 Prozent zwar. Doch der Überschuss von Europas größten Banken fiel noch stärker auf 22 Milliarden Euro. Deutlich gesunken ist in den vergangenen Jahren auch die Bilanzsumme, ein Indikator für die Leistungsfähigkeit von Banken. Schlechter da stehen Europas Banken ferner beim Eigenkapital, ein wichtiger Puffer gegen Krisen. Und an der Börse waren sie per Ende Juni nicht einmal halb so viel wert wie die US-Konkurrenz. Doch warum geht es der so viel besser?
„Der Bankenmarkt in den USA ist ein ganz anderer als in Europa“, sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Finance. Dort hätten sechs große Banken 50 Prozent der Bilanzsumme aller Geldhäuser. „Sie bilden eine Art Oligopol“. Europas Bankenmarkt ist dagegen zersplittert. Gerade Deutschland mit seinen vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken gilt als „overbanked“ - das schmälert den Kuchen für Einzelne. Bei der Eigenkapitalrentabilität liege Deutschland im Euroraum hinten, moniert Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Zudem verdienen US-Banken gut an Gebühren, daher leiden sie weniger unter Niedrigzinsen als europäische Banken.
Vor allem aber haben die USA ihre Banken nach der Finanzkrise erfolgreicher saniert. Sie ließen hunderte pleite gehen, größere zwangen sie zu einer konsequenten Rekapitalisierung. „Solche Anstrengungen gab es in der Eurozone nicht“, heißt es in einer Analyse der Universität Amsterdam. Selbst bei Geldstrafen wegen Skandalen haben die Amerikaner schneller reinen Tisch gemacht, während auf europäische Banken noch einige Strafzettel zukommen - gerade auf die Deutsche Bank. Das drückt die Gewinne.
In Europa war die Bankenrettung eine Hängepartie voller nationaler Einzelinteressen. Zwar sprang der Staat mit Milliarden Steuergeld ein, doch richtig ausgemistet wurden die faulen Bilanzen nicht. Im Gegenteil: Um Regeln für Kapitalpuffer einzuhalten, vergaben Institute weniger Kredite an Firmen und füllten ihre Bücher mit Staatsanleihen. Sie galten als risikolos, brachten Banken aber in der Eurokrise in die Bredouille, als südeuropäische Staaten taumelten. Die Folge sei ein direkter negativer Effekt auf die wirtschaftliche Erholung gewesen, schließt die Studie aus Amsterdam.
Zudem birgt die Anfälligkeit großer Geldhäuser in Europa ein höheres Konjunkturrisiko als in den USA. Denn während sich dort Unternehmen oft über die Börse finanzieren, hängen in Europa gerade kleine und mittlere Firmen an der Kreditvergabe von Banken. „Die Schwäche der Banken ist ein Nachteil für Europas Wirtschaft, da die Geldhäuser weniger Kredite vergeben können„, sagt Professor Hellmich. Dass der Finanzsektor in Europa einen größeren Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung hat als in den USA, macht es noch schlimmer.
Licht am Ende des Tunnels ist für Europas Banken kaum in Sicht, glaubt Berater Müller-Tronnier. „Dem europäischen Bankensektor steht noch eine kräftiger Schrumpfkur bevor.“