Trump vs. Obama Die Parallelpräsidentschaft
Washington (dpa) - Macht nach Wahlen gut zu übergeben, ist heikel. Wenn es um eine Supermacht geht, erst recht. Ein komplexes Regelwerk soll einen geschmeidigen Übergang sicherstellen.
Damit das Land und die Welt wissen, wer in Washington am Drücker ist, gilt für die USA das ungeschriebene Gesetz, dass der Wahlsieger sich solange raushält, bis er offiziell Präsident ist. Wie so viele Traditionen kümmert Donald Trump auch diese offensichtlich nicht. Da aber Barack Obama mehr und mehr dagegenhält, ist das Land in einer etwas bizarren Situation.
Nach außen hin gibt man sich freundlich: Amtsinhaber und Nachfolger trafen sich direkt nach der Wahl. Unentspannt, aber höflich. Sie telefonieren regelmäßig. Ihre Sprecher sind um Sachlichkeit und äußerste Zurückhaltung bemüht. Obama wird nicht müde zu betonen, wie wichtig ihm eine friedliche Machtübergabe ist. Trumps Sprecher Sean Spicer sagte nun CNN, in der Tat habe Obama mit seiner Freundlichkeit kaum freigiebiger sein können, aber am Ende des Tages sei Trump nun mal niemand, der dasitze und einfach zuwarte.
Mehr und mehr erinnert Trump an Isnogud, den rastlosen Großwesir aus Réne Goscinnys Comic, der unbedingt Kalif werden will anstelle des Kalifen. „Warum diese Eile?“, fragt Michael Beschloss, Historiker und Spezialist für US-Präsidenten. „Ein gewählter Präsident, der weder vollständig gebrieft ist noch alle Positionen besetzt hat, sollte besser warten, bis er im Weißen Haus ist.“
Geduld ist aber nicht Trumps Sache, im Gegenteil. Einen Monat vor der Amtsübernahme betreibt er aktive Außenpolitik: Öffentlich forderte er ein US-Veto einer Israel-Resolution im UN-Sicherheitsrat, telefonierte dafür angeblich mit entscheidenden Akteuren. Obama, der Präsident, ließ die Resolution sensationell passieren. Trump twittert von einer „erheblichen Ausweitung der nuklearen Kapazität“ der USA, bisher galt eine andere Doktrin.
China will eine beschlagnahmte US-Drohne zurückgeben, Trump sagt: Behaltet das Ding. Den Anschlag von Berlin kommentiert der Kommende aggressiv und kämpferisch, während der Regierende Deutschland die Hilfe der USA anbietet. Präsident 44, immer weniger geneigt, sich sein Erbe von den Abrissbirnen der Nummer 45 kaputt schlagen zu lassen, setzt ihm ein Bohrverbot vor Alaska vor die Nase - so ziemlich das exakte Gegenteil von Trumps erwartbarer Energiepolitik.
„Dem gewählten Präsidenten möchte ich sagen, dass es nur jeweils einen Präsidenten gibt. Präsident Obama ist der Präsident bis zum 20. Januar, und wir ergreifen diese Maßnahme, selbstverständlich, als Teil der US-Politik“: Was Sprecher Ben Rhodes kühl auf die Israel-Abstimmung bei den UN münzte, ist auch als Roadmap der Regierung Obama auf ihren letzten Metern zu sehen.
„In mancherlei Hinsicht kastriert Trump die Regierung Obamas“, sagt der Historiker Douglas G. Brinkley der „New York Times“. „Sie vermeiden persönliche Attacken aufeinander, aber hinter den Kulissen graben sie sich das Wasser ab. Ich weiß nicht genau, inwiefern das amerikanische Volk davon profitieren soll.“
Andere Übergänge waren gesitteter. 2008 sagte Obamas Sprecher, das Verfassungsprinzip, nur jeweils einen Präsidenten zu haben, sei gerade in der Außenpolitik extrem wichtig. Bill Clinton, im Jahr 1992: „Amerika hat nur jeweils einen Präsidenten“, und er wolle die Welt „der grundsätzlichen Fortsetzung amerikanischer Außenpolitik versichern“. Präsident George W. Bush lehnte 2001 Antworten nach Israel und Nordkorea schlicht ab. „Wir haben einen Präsidenten, er heißt Bill Clinton, und unser Land muss mit einer Stimme sprechen.“
Nach Trumps Sieg im November erinnerte Obama selbst noch einmal an die große Herausforderung der Übergangszeit. Dass es nur jeweils einen Präsidenten gebe, sagte Obama, sei eine der lebenswichtigen Funktionen einer Demokratie, ähnlich wichtig wie Zivilität und Toleranz, ein Bekenntnis zur Vernunft, Fakten und Analyse.
Das war vor seinem Aufbruch nach Deutschland. „Wir werden diese Werte hochhalten und diese Ideale pflegen, so lange ich Präsident bin“, sagte Obama ruhig. Mit Blick auf die Gegenwart einer Art Doppelpräsidentschaft klingt das heute dunkel und ahnungsvoll.