Die Rückkehr des Krieges

Aleppo (dpa) - Es ist wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Wieder ist ein Hoffnungsschimmer für das geschundene Bürgerkriegsland Syrien zerstoben. Nicht das erste Mal in diesem Jahr: Im Frühjahr einigten sich die Großmächte USA und Russland auf eine Waffenruhe, die das Blutvergießen beenden sollte.

Am Genfer See trafen sich Vertreter der Regierung und der Opposition erstmals seit zwei Jahren zu Verhandlungen. Eine politische Lösung für den blutigen Konflikt, der seit fünf Jahren tobt, schien zumindest nicht ausgeschlossen.

Geblieben davon ist nichts. Die erste Waffenruhe löste sich auf und die Genfer Gespräche wurden ohne jedes Ergebnis ausgesetzt. Und nun ergeht es der vor zehn Tagen ausgehandelten Feuerpause ähnlich. Dabei hatten die USA und Russland wochenlang darum gerungen und voller Hoffnung die Abmachung verkündet. Vergebliche Liebesmüh?

Zwar war die Gewalt zu Beginn der Feuerpause während des muslimischen Opferfestes Eid al-Adha zunächst zurückgegangen. Doch kaum waren die Feiertage vorbei, flog das Regime wieder Luftangriffe in den Provinzen Hama und Aleppo. In einem Vorort von Damaskus flogen die Granaten zwischen Regierungstruppen und Aufständischen und islamistische Rebellen nutzten die kurze Erholungsphase, um sich neu zu formieren.

Eine Woche nach Inkrafttreten der Waffenruhe erklärte die syrische Armee die Feuerpause für beendet und betonte, die „nationale Aufgabe“ anzugehen und Sicherheit und Stabilität in Syrien wiederherzustellen.

Eigentlich sollte an diesem Montag die nächste Stufe der Vereinbarung der USA mit Russland umgesetzt werden. Beide Länder wollten gemeinsam gegen Terrorgruppen vorgehen. Spätestens mit dem gravierenden Angriff der USA auf syrische Regierungstruppen - Moskaus Verbündete - dürfte aber allen klar gewesen sein, dass daraus nichts mehr werden wird.

Der Zwischenfall hat deutlich gemacht, wie zerbrechlich die ganze Vereinbarung war. Große Hoffnungen auf ein dauerhaftes Ende der Gewalt hatten ohnehin nicht viele Menschen in Syrien gehabt - weder Zivilisten noch Aufständische. „Wir sind nicht überrascht“, sagt ein Kämpfer der Rebellengruppe Nur al-Din al-Senki. „Das Regime hat nie wirklich mit den Kämpfen aufgehört und keine Hilfe durchgelassen.“

Eine Woche mussten die Menschen in vielen belagerten Gebieten trotz der Waffenruhe warten, bis größere Hilfslieferungen sie erreichten. Für die Menschen war es nur eine kurze Verschnaufpause vor den Bomben.

Die Lage ist in vielen Gebieten dramatisch, etwa im Osten der Großstadt Aleppo, der von Rebellen gehalten wird. Dort sind bis zu 300 000 Menschen von der Außenwelt abgeschnitten. Es mangele massiv an Lebensmitteln, berichtet ein junger Mann mit dem Namen Mohammed aus der Stadt. „Die meisten Bäckereien sind geschlossen, weil sie keinen Brennstoff für ihre Maschinen und Öfen haben“, schreibt er über das Internet. Die Preise seien stark gestiegen.

Welche Punkte letztlich zum Ende der Feuerpause geführt haben, lässt sich nicht exakt sagen; vieles kommt zusammen. Ein Knackpunkt dürfte sicherlich die unterschiedliche Einschätzung zwischen Russland und den USA sein, welche Rebellen als moderat und welche als terroristisch anzusehen sind.

Wie schon im Frühjahr macht auch die radikale Al-Nusra-Front einen dauerhaften Waffenstillstand extrem schwierig. Die Miliz, eine der stärksten bewaffneten Gruppen im Bürgerkrieg, hat sich zwar mittlerweile offiziell von Al-Kaida losgesagt und sich einen neuen Namen gegeben. Sie nennt sich jetzt Fatah-al-Scham-Front. Für die USA und Russland bleibt sie aber eine Al-Kaida-Terrorgruppe.

Die Amerikaner stellt das vor ein Problem: Die Miliz kooperiert in vielen Regionen eng mit Milizen, die als Partner der USA gelten. So kämpfte die Fatah-al-Scham-Front im Süden Aleppos an der Seite anderer Milizen, die die Belagerung der Stadt aufbrechen wollten. Nicht nur deswegen genießt die radikale Gruppe bei vielen Sympathisanten der Regimegegner ein hohes Ansehen.

Zuletzt griff die syrische Armee mit ihren Verbündeten wieder verstärkt Rebellen an und flog sogar wieder Luftangriffe auf Oppositionsgebiete in Aleppo - obwohl die wichtigste Forderung der USA war: eine faktische Flugverbotszone für Syriens Luftwaffe in bestimmten Gebieten. Das Regime in Damaskus rechtfertigte die Angriffe mit Schlägen gegen „Terroristen“.

Der möglicherweise versehentliche Angriff der USA auf die syrischen Truppen bei Dair as-Saur, bei dem mindestens 60 Menschen starben, lieferte Russland eine Steilvorlage: Mangelnde Transparenz und die Weigerung sich abzusprechen hätten zu dem fatalen Angriff geführt.

Jetzt ist die Lage wieder so verfahren wie schon lange. Die Netzwerke im syrischen Bürgerkrieg haben sich in den vergangenen Jahren verstrickt, zu viele Akteure ihre Finger im Spiel. Und der Hoffnungsschimmer am Horizont entpuppt sich häufig nur als das Aufleuchten der nächsten Explosionen.