Dokumentation Die Rücktrittserklärung von Mesut Özil in Auszügen
Berlin (dpa) - Auszüge aus Mesut Özils Erklärung zu seinem Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Es war der dritte von drei Aufsehen erregenden Tweets am Sonntag. Hier der Wortlaut in einer Übersetzung der Deutschen Presse-Agentur aus dem Englischen:
„Die Sache, die mich wahrscheinlich am meisten in den vergangenen Monaten frustiert hat, war die schlechte Behandlung durch den DFB, und vor allem durch den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. Nach meinem Bild mit Präsident Erdogan wurde ich von Joachim Löw gebeten, meinen Urlaub zu verkürzen, nach Berlin zu reisen und ein gemeinsames Statement abzugeben, um alle Diskussionen zu beenden und die Sache richtig zu stellen. Als ich Grindel mein Erbe, meine Vorfahren und die daraus entstandenen Gründe für das Foto zu erklären versuchte, war er viel mehr daran interessiert, über seine eigenen politischen Ansichten zu sprechen und meine Meinung herabzusetzen...
Seit dem Ende der Weltmeisterschaft ist Grindel wegen seiner Entscheidungen vor Turnierbeginn unter starken Druck geraten, und das zurecht. Zuletzt hat er öffentlich gesagt, dass ich noch einmal meine Handlungen erklären solle und gibt mir die Schuld für die schwachen Ergebnisse in Russland, obwohl er mir in Berlin gesagt hat, dass es erledigt sei. Ich spreche jetzt nicht wegen Grindel, sondern weil ich es will. Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen. Ich weiß, dass er mich nach dem Foto aus dem Team haben wollte, und seine Ansicht bei Twitter ohne Nachdenken oder Absprache veröffentlicht hat, aber Joachim Löw und Oliver Bierhoff haben sich für mich eingesetzt und mich unterstützt. In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren...
Gibt es Kriterien, ein vollwertiger Deutscher zu sein, die ich nicht erfülle? Meine Freunde Lukas Podolski und Miroslav Klose werden nie als Deutsch-Polen bezeichnet, also warum bin ich Deutsch-Türke? Ist es so, weil es die Türkei ist? Ist es so, weil ich ein Muslim bin? Ich denke, hier handelt es sich um eine wichtige Sache. Indem man als Deutsch-Türke bezeichnet wird, werden Menschen bereits unterschieden, die Familie in mehr als einem Land besitzen. Ich wurde in Deutschland geboren und ausgebildet, also warum akzeptieren die Leute nicht, dass ich Deutscher bin?...
Mich wegen meiner Vorfahren zu kritisieren und zu beschimpfen, diese Grenze zu übertreten ist schändlich, und Diskriminierung als Werkzeug für politische Propaganda zu benutzen, sollte umgehend im Rücktritt dieser respektlosen Personen resultieren. Diese Leute haben mein Bild mit Präsident Erdogan als eine Gelegenheit benutzt, ihre zuvor verborgenen rassistischen Tendenzen zum Ausdruck zu bringen, und das ist gefährlich für die Gesellschaft...
Ich will nicht einmal die Hassmails, die Drohanrufe und die Kommentare in den sozialen Netzwerken diskutieren, die meine Familie und ich erhalten haben. Sie alle stehen für ein Deutschland der Vergangenheit, ein Deutschland, das nicht für neue Kulturen offen ist, und ein Deutschland, auf das ich nicht stolz bin. Ich bin zuversichtlich, dass viele stolze Deutsche, die eine offene Gesellschaft begrüßen, mit mir einer Meinung sind...
Die Behandlung, die ich vom DFB und vielen anderen erhalten habe, bringt mich dazu, nicht länger das deutsche Nationaltrikot tragen zu wollen. Ich fühle mich ungewollt und denke, dass das, was ich seit meinem Länderspiel-Debüt 2009 erreicht habe, vergessen ist. Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiedener Herkunft hat. Einstellungen wie ihre reflektieren nicht die Spieler, die sie repräsentieren sollen.
Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre. Ich habe das deutsche Trikot mit solchem Stolz und solcher Begeisterung getragen, aber jetzt nicht mehr. Diese Entscheidung war sehr schwer, weil ich immer alles für meine Teamkollegen, den Trainerstab und die guten Leute in Deutschland gegeben habe. Aber wenn hochrangige DFB-Funktionäre mich so behandeln, meine türkischen Wurzeln missachten und mich egoistisch als politisches Propagandamittel nutzen, dann ist es genug. Dafür spiele ich nicht Fußball, und ich werde mich nicht zurücklehnen und nichts dagegen tun. Rassismus darf nie und nimmer hingenommen werden.“