Die Thesen von Grass und die Fakten
Tel Aviv (dpa) - Günter Grass hat in seinem umstrittenen Gedicht „Was gesagt werden muss“ eine Reihe von Behauptungen aufgestellt. Die Nachrichtenagentur dpa hat sie anhand von öffentlich bekannt gewordenen Fakten und Aussagen überprüft:
Der Erstschlag gegen den Iran wird in Planspielen geübt?
Ja. Die israelische Regierung und westliche Länder haben betont, die militärische Option werde als letzte Maßnahme nicht ausgeschlossen. Dass es entsprechende militärische Planungen und Übungen gibt, gilt als sicher. Seriöse Medien haben bereits über Details berichtet. Diese sind erwartungsgemäß nie offiziell bestätigt worden. Auch Äußerungen von US-Regierungsmitgliedern legen nahe, dass es in Israel Planungen gibt.
Der Bau einer Atombombe im Iran wird nur vermutet und ist unbewiesen?
Ja. Der Iran bestreitet, Atombomben zu entwickeln. Auch die israelische Regierung geht davon aus, dass der Iran noch nicht mit dem Bau begonnen hat. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) geht Hinweisen nach, wonach der Iran an einem geheimen militärischen Atomprogramm gearbeitet hat. Darüber hinaus hat die Führung in Teheran eine Reihe von Fragen der IAEA bislang nicht beantwortet.
Israel könnte das iranische Volk auslöschen?
Nein. In Israel und anderswo war nie die Rede von atomaren Angriffen auf den Iran. Bei den Planspielen, die in Medien veröffentlicht worden waren, geht es um gezielte Luftangriffe sowie das Bombardement von Anlagen, die zum Atomprogramm gehören.
Das israelische Atomwaffenprogramm wächst und wird geheim gehalten?
Unklar. Über das israelische Atomwaffenprogramm gibt es keine offiziellen Angaben. Es wird vermutet, dass Israel seit den 1960er Jahren Atomwaffen besitzt. Offiziell zugegeben wurde dies nicht, weil sonst internationale Kontrollen zugelassen werden müssten. Das lehnt Israel aus Sicherheitsgründen ab. Israels Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert hatte sich im Dezember 2006 in einem Interview versprochen und den Eindruck vermittelt, er habe Israel als Atommacht geoutet. Olmert ruderte dann sofort zurück.
Wer über Israels Atompotenzial oder seine Angriffspläne gegen den Iran spricht, wird des Antisemitismus beschuldigt?
Nein. In Israel und außerhalb werden diese Themen seit Jahren lebhaft diskutiert. Der Vorwurf des Antisemitismus ist dabei nicht sichtbar erhoben worden.
U-Boot aus Deutschland mit atomarer Bewaffnung?
Unklar. Bisher hat Israel drei U-Boote aus deutscher Produktion im Einsatz. Zwei weitere Boote sind nahezu fertiggestellt und sollen noch dieses Jahr an die Israelis übergeben werden. Im März wurde die Lieferung eines sechsten Bootes vereinbart. Die U-Boote gehören zur sogenannten Dolphin-Klasse.
Die U-Boote können mit konventionellen Torpedos ausgerüstet werden, Munition wurde aber nicht mitgeliefert. Für die Verwendung atomarer Sprengköpfe wäre eine Umrüstung notwendig. Ob die israelische Regierung vor der Genehmigung der Lieferung zugesichert hat, die Boote nicht für einen möglichen Angriff gegen den Iran zu nutzen, ist unklar. Die Bundesregierung äußert sich zu dieser Frage nicht.
Israel gefährdet den Weltfrieden?
Nein. Israel betrachtet den Iran als derzeit größte Gefahr für seine Existenz. Ein Grund ist die Drohung, Israel von der Landkarte verschwinden zu lassen. Ein weiterer Grund ist die Unterstützung des Irans für militante und radikal-islamische Palästinenserorganisationen sowie die pro-iranische Hisbollah im Libanon. Der Westen ist sich einig, dass eine iranische Atombombe nicht nur Israel bedroht. Wegen eines drohenden Wettrüstens sowie der Gefahr einer Weiterverbreitung stünde die Sicherheit der Region und möglicherweise der Welt auf dem Spiel.