Dokumentation: Gaucks Kernaussagen
Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck schlägt in seiner Rede nach seiner Vereidigung am Freitag vor Bundestag und Bundesrat den Bogen von der Erinnerung an die deutsche Geschichte bis zu aktuellen Problemen wie Schuldenkrise und Rechtsextremismus.
Einige Auszüge:
GESCHICHTE UND ERINNERUNG: „Ich wünsche mir also eine lebendige Erinnerung auch an das, was in unserem Land nach all den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur, nach den Greueln des Krieges gelungen ist. In Deutschlands Westen trug es, dieses Gelungene, als erstes den Namen Wirtschaftswunder. ... Allerdings sind für mich die Autos und die Kühlschränke und all der neue Glanz einer neuen Prosperität nicht das Wunderbare jenes Jahrzehnts. Ich empfinde mein Land vor allem als ein Land des Demokratiewunders.“
DIE ACHTUNDSECHZIGER: „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in dieser Zeit blieb allerdings defizitär. Die Verdrängung eigener Schuld, die fehlende Empathie mit den Opfern des Nazi-Regimes prägte den damaligen Zeitgeist. Erst die 68er-Generation hat das nachhaltig geändert. ... Trotz aller Irrwege, die sich mit dem Aufbegehren der 68er auch verbunden haben, haben sie die historische Schuld ins kollektive Bewusstsein gerückt.“
DIE FRIEDLICHE REVOLUTION IN DER DDR: „1989, dieser nächste Schatz in unserem Erinnerungsgut: Da waren die Ostdeutschen zu einer friedlichen Revolution imstande, zu einer friedlichen Freiheitsrevolution. Wir wurden das Volk, und wir wurden ein Volk.“
SOZIALE GERECHTIGKEIT: „Wie soll es nun also aussehen dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel unser Land sagen? Es soll unser Land sein, weil unser Land soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Aufstiegschancen verbindet. Der Weg dazu ist nicht der einer irgendwie paternalistischen Fürsorgepolitik, sondern ein Sozialstaat, der vorsorgt und ermächtigt. ... Freiheit ist eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit. ... Umgekehrt ist das Bemühen um Gerechtigkeit unerlässlich für die Bewahrung der Freiheit.“
INTEGRATION: „In unserem Land sollen auch alle zu Hause sein können, die hier leben. Wir leben inzwischen in einem Staat, in dem neben die ganz selbstverständliche deutschsprachige und christliche Tradition Religionen wie der Islam getreten sind, auch andere Sprachen, andere Traditionen und Kulturen ... Unsere Verfassung spricht allen Menschen dieselbe Würde zu, ungeachtet dessen, woher sie kommen, woran sie glauben oder welche Sprache sie sprechen. Sie tut dies nicht als Belohnung für gelungene Integration, sie versagt dies aber auch nicht als Sanktion für verweigerte Integration.“
EUROPA: „Dieses Ja zu Europa gilt es nun ebenfalls zu bewahren. Gerade in Krisenzeiten ist die Neigung, sich auf die Ebene des Nationalstaats zu flüchten, besonders ausgeprägt. Das europäische Miteinander ist aber ohne den Lebensatem der Solidarität nicht gestaltbar. Gerade in der Krise heißt es deshalb: Wir wollen mehr Europa wagen.“
RECHTSEXTREMISMUS: „Wir stehen zu diesem Land, nicht weil es so vollkommen ist, sondern weil wir nie zuvor ein besseres gesehen haben. Und speziell zu unseren rechtsextremen Verächtern der Demokratie sagen wir in aller Deutlichkeit: Euer Hass ist unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich. Wir schenken euch auch nicht unsere Angst. Ihr werdet Vergangenheit sein und unsere Demokratie wird leben.“