dpa-Interview: Entführung der verschwundenen Maschine möglich
Frankfurt/Main (dpa) - Der Fall der seit einer Woche in Südostasien vermissten Passagiermaschine wird immer rätselhafter. Am Samstag wurde bekannt, das offenbar absichtlich zwei Kommunikationssysteme an Bord der Boeing 777-200 abgeschaltet wurden.
Das könnte auf eine Entführung hinweisen, sagte Jörg Handwerg, Vorstandsmitglied bei der Vereinigung Cockpit, der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem aber die Tatsache, dass so wenige und zugleich widersprüchliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, hält der Experte für höchst merkwürdig.
Frage: Offenbar sind an Bord der Maschine gezielt zwei Kommunikationssysteme ausgeschaltet worden. Was für Daten werden damit übermittelt?
Antwort: Der Transponder ist eine Weiterentwicklung des üblichen Radars. Er übermittelt sehr genau die Position des Flugzeugs an die Lotsen, auch die Geschwindigkeit und die Flughöhe, sowie einige weitere Daten. Das System ACARS ist ein Datenfunksystem, über das man Telexe verschicken kann, das nutzen wir Piloten zum Beispiel, um Wetterinformationen zu bekommen. Es wird auch genutzt, um Triebwerksdaten zu übertragen. Das System funktioniert auch über Satelliten und ist damit weltumspannend verfügbar.
Frage: Wenn die zwei Systeme abgeschaltet sind, ist ein Flugzeug dann nicht mehr zu orten?
Antwort: Über Radarstationen am Boden ist es noch zu orten, aber die Ortung ist nicht so genau. Man hat keine genaue Identifizierung, man weiß also nicht, welche Flugnummer das ist.
Frage: Was sagt Ihnen die Information, dass die Systeme möglicherweise abgeschaltet wurden?
Antwort: Bisher ist es ja nicht erweisen, dass die Systeme abgeschaltet wurden, das kann auch technische Gründe haben, einen Kurzschluss etwa. In dem Fall fällt es aber aufgrund des zeitlichen Ablaufs etwas schwer, an technische Probleme zu glauben.
Frage: Welche Kenntnisse muss man haben, um die Systeme abschalten zu können?
Antwort: Man muss natürlich wissen, welches Gerät welches ist und ansonsten muss man einfach lesen können, denn es steht „on“ und „off“ drauf. Bei ACARS ist das nicht so leicht, man kann aber die Frequenzen verstellen, wenn man Zugriff darauf hat, oder Sicherungen ziehen.
Frage: Könnte das auf eine Entführung hinweisen, wenn die Geräte abgeschaltet wurden?
Antwort: Es ist alles hochspekulativ. Es gibt leider in diesem Fall unheimlich viel Kakophonie und widersprüchliche Angaben. Es gibt eigentlich zwei Szenarien. Wenn es eine Entführung wäre und jemand kennt sich aus, dann könnte er das absichtlich veranlassen. Aber es gibt genauso gut technische Ursachen dafür, dass die Geräte selbst etwa durch Kurzschlüsse ausfallen. Man kann einfach nicht sagen, was dahinter steckt. Es ist leider sehr unglücklich, wie hier kommuniziert wird. Es wirkt alles sehr befremdlich und verwundert einen, dass die Informationen nur so tröpfchenweise heraussickern und von verschiedenen, sich widersprechenden Quellen kommen. Das ist alles sehr merkwürdig.
Frage: Hätte bei einem Flug über Land nicht das dortige Radar die Maschine erfassen müssen?
Antwort: Ja, das gehört zu den Dingen, die nicht nachvollziehbar sind. Über Land gibt es eigentlich überall Radarabdeckung. Gerade das Militär hat in der Regel sogar noch einmal eine eigene Überwachung und da wird schon genau geguckt, wer fliegt da vielleicht in meinen Luftraum ein, ohne sich angemeldet zu haben. Da haben Sie in der Regel schnell zwei Abfangjäger neben sich. Das Ganze ergibt bisher kein schlüssiges Bild, was hier passiert ist.
Frage: Welche Bedingungen müssen gegeben sein, um eine Boeing 777-200 zu landen?
Antwort: Sie brauchen auf jeden Fall eine geeignete Landebahn, das kann man nicht einfach auf der Wiese landen, dazu ist es viel zu schwer. Das sind dann schon Flughäfen, die sind üblicherweise auch mit Menschen besetzt. Es ist für mich unvorstellbar, dass ein Flugzeug einfach unerkannt irgendwo landet und was wäre dann mit den Menschen an Bord?
Frage: Wie lange reicht der Treibstoff von einem solchen Flugzeug?
Antwort: Der Treibstoff wird vor dem Flug festgelegt, entsprechend der Strecke. In dem Fall hatte ich gelesen, dass sie für etwa acht Stunden Treibstoff an Bord hatten. Damit käme man gute 6500 bis 7000 Kilometer weit.
ZUR PERSON: Jörg Handwerg ist Sprecher der Vereinigung Cockpit. Der 46-Jährige ist seit 1992 Pilot, seit 2006 Kapitän und hat als solcher auch Erfahrung mit Boeing-Flugzeugen. Mitglied im Cockpit-Vorstand ist er seit fünf Jahren.