Diskreter Zugriff in Rüppurr Eislaufbahn als Terrorziel? Fahnder wissen früh Bescheid
Karlsruhe (dpa) - Die Rollläden im Erdgeschoss sind heruntergelassen, das Haus scheint verwaist. Nichts deutet auf die Durchsuchungen am Vortag hin. Hier, im gutbürgerlichen Karlsruhe-Rüppurr, soll ein Terrorverdächtiger gewohnt haben.
Er wurde am Mittwoch festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen vor, einen Anschlag auf die weihnachtliche Eisbahn am Karlsruher Schloss geplant und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützt zu haben.
Am benachbarten Ostendorfplatz, dem Einkaufszentrum des Stadtteils, läuft das Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren. Eine Drehorgel dudelt. Den Einsatz am Vortag hat niemand mitbekommen. Und gekannt hat den Mann hier, beim Bäcker, beim Optiker und im Zeitschriftenladen niemand.
Aber im Haushaltswarenladen erinnern sich zwei Frauen an Typen in einem Auto, das im Sommer hier stand. Einer Angestellten vom Zeitschriftladen wenige Meter weiter waren sie so verdächtig, dass sie die Polizei angerufen hat. Die Beamten beruhigten. „Es waren verdeckte Ermittler“, sagt nun ihr Chef.
Standen die wegen des jetzt Festgenommenen da? Einen guten Blick hat man jedenfalls von hier auf das grüne Haus schräg gegenüber hinter der Straßenbahnlinie. Tatsächlich war der Mann - ein Deutscher mit irakischen Wurzeln - über längere Zeit intensiv observiert worden. Er galt als Gefährder, also als jemand, dem ein Anschlag zugetraut wird. Nach Informationen der ARD-„Tagesschau“ soll seine Wohnung verwanzt gewesen sein. Auf die Weise hätten die Fahnder mitbekommen, dass er sich als Paketzusteller beworben habe, heißt es.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann unter anderem plante, mit einem Fahrzeug einen Anschlag auf Stände rund um eine Eisbahn auf dem Karlsruher Schlossplatz zu begehen - ähnlich wie vor einem Jahr Anis Amri, der das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche mit zwölf Toten verübte.
Fehler wie im Fall Amri sollten sich nicht wiederholen - die Sicherheitsexperten fuhren das volle Programm auf: „Da ist alles gemacht worden, was es gibt“, sagt einer. Erst recht, als der 29-Jährige seit Ende August die Örtlichkeiten rund um das Karlsruher Schloss auskundschaftete.
Wie lange der gebürtige Freiburger in Karlsruhe-Rüppurr gewohnt hat, ist unklar. Unter den Klingelknöpfen hängt provisorisch ein weißer Zettel mit seinem Namen, ebenso am Briefkasten. Während der Mann am Donnerstag vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes angehört wird, geht das Leben der Menschen in dem Stadtteil ganz normal weiter. Wer vom Terrorverdacht in den Nachrichten gehört hat, nimmt es gelassen. „Ich fühle mich hier nach wie vor sicher“, sagt eine Frau beim Bäcker.
Auch dort, wo der Mann angeblich den Anschlag geplant hat, herrscht Normalbetrieb: An der zur Adventszeit aufgebauten Eisbahn am Schloss drehen selbst an diesem nasskalten Morgen Dutzende Schlittschuhläufer ihre Runden. Zwei Polizisten haben den Platz vor der Eisfläche im Blick. In einem Verkaufshäuschen steckt ein junger Mann Weintrauben auf Spieße. Angst habe er nicht, sagt er, und deutet auf den Platz. Wie soll denn da jemand mit einem Auto einen Anschlag verüben?
Tatsächlich ist der Schlossplatz unweit der Fußgängerzone nur durch enge Gassen zu erreichen. Schwere Absperrungen auf den Straßen gibt es daher nicht - anders als beim einige hundert Meter entfernten Weihnachtsmarkt. Dort erinnert ein Kranz an die Opfer des Anschlags von Berlin.