Analyse Trumps Triumph
Washington (dpa) - Endlich Weihnachten, und das schon am 20. Dezember. Für die Republikaner ist es der lange ersehnte Erfolg, und sie reklamieren dies als historischen Tag für die USA: Ihre Steuerreform ist durch.
Zum Ende eines oft chaotischen Jahres taten die Republikaner das, was Parteien mit gesetzgeberischen Mehrheiten tun: Sie besannen sich ihrer Übermacht und stimmten für ihr Gesetz. Andere sagen: Sie drückten dieses Gesetz schlicht durch, in einem viel kritisierten Prozess, ohne Anhörungen und in größter Eile.
Die Schlussphase dieses Gesetzes spiegelte die Hetze des Prozesses, das Repräsentantenhaus musste am Mittwoch nochmals ran. Um kurz vor 13.00 Uhr Ortszeit verkündet dann der Sprecher des Abgeordnetenhauses freudestrahlend, das Gesetz sei durch. Mit größter Erleichterung donnert Paul Ryan erneut den Hammer auf das Pult, sieht Amerika „befreit vom Griff gieriger Bürokraten“. Jahrelang hat er gekämpft für diesen Augenblick. „Es ist ein Moment, der Generationen definiert“, sagt er.
Es gibt womöglich ein großes Aber. Mittelfristig könnte es sein, dass diese Reform den Republikanern und ihren Abgesandten schwer auf die Füße fällt - auch und gerade Trump persönlich.
Denn alle Analysen sagen: Ja, dieses ist eine umfassende, tiefgreifende, gewaltige Reform. Profitieren tun aber vor allem die Unternehmen und die Reichen. Und so einfach wie versprochen, so a la Bierdeckel, ist das System auch nicht geworden. Stück für Stück wurde das Paket im Lauf einer sehr komplizierten Kompromissfindung immer noch mehr auf die Superreichen zugeschnitten. Viele von ihnen sind Großspender für die Partei.
„Trump verliert seine "Street Credibility“, meinte die „Washington Post“, seine Glaubwürdigkeit auf der Straße. Merkten seine Anhänger erst, dass sie steuerlich doch gar nicht so sehr profitierten, könnte sein umjubelter Dezemberschuss im Halbzeit-Wahljahr 2018 schwer nach hinten losgehen. US-Reporter machten noch kurz vor den Abstimmungen Parlamentarier ausfindig, die über elementare Bestandteile des Gesetzes nicht Bescheid wissen. Könnte sein, dass ihre Wähler sie danach fragen werden.
Die Demokraten geben sich sicher, dass 2018 ihre Botschaft verfängt, wonach Trump die einfachen Leute verraten habe. Sie hoffen im November auf eine Rückeroberung des Repräsentantenhauses - diese Kammer wäre, und das ist keine Kleinigkeit, für ein Verfahren zur Amtsenthebung zuständig. In beiden Häusern stimmten sie geschlossen gegen den Entwurf. Maliziös sagte Minderheitsführer Charles Schumer im Senat: „Die Republikaner werden diesen Tag noch bereuen.“
Kurzfristig wird diese Reform einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben - es ist gar nicht möglich, dass so viel Geld im System keinen Effekt hat. Aber je mehr Jahre vergehen, umso mehr steigen die Steuern wieder an - für Privatleute, für Unternehmen nicht. In einer CNN-Umfrage sagten zuletzt 33 Prozent, sie fänden die Reform gut. 55 Prozent sagen das Gegenteil. Es kann sein, dass sich diese Zahlen rasch ändern, wenn die Reform greift.
Darauf setzen die Republikaner, für sie sind kurz vor Weihnachten alle Menetekel weit weg. Dieser Sieg schmeckt auch einfach zu süß. Ohne ein größeres Gesetzesvorhaben aus dem Jahr 2017 zu gehen - das wäre doch zu peinlich gewesen. In seltener Geschlossenheit haben sie in der Steuerreform die Versicherungspflicht für „Obamacare“ miterledigt, nachdem ihnen die Abschaffung der Krankenversicherung im Kongress noch misslungen war. Sie argumentieren, dies bedeute mehr Freiheit. Unabhängige Analysen nennen das zynisch und verweisen darauf, dass Millionen künftig wieder unversichert dastehen werden.
Beim Thema Steuern zerfällt Amerika ebenso in zwei Lager wie beim Thema Gesundheit: Die republikanische Idee von so wenig Staat wie überhaupt möglich versus die Ideologie der Demokraten mit Wohlfahrt, Schutz und Eingriffen. Nun habe die „republikanische Orthodoxie“ gesiegt, meinte die „New York Times“. Der konservative Kommentator John Podhoretz meinte nüchtern: „Sowas passiert halt, wenn Republikaner an der Macht sind. Sie senken die Steuern. Wenn Sie das erschüttert oder empört, haben Sie die vergangenen 40 Jahre nicht aufgepasst.“
Diese Reform ist ein in kürzester Zeit hochgezogenes, ausladendes Gebäude geworden. Reich geschmückt hat es gewundene Gänge und reichlich Anbauten. Jeder kann ein Türmchen oder einen Hof für sich reklamieren, jeder Kritiker fand sein drohendes Nein rechtzeitig in einer Gegenleistung aufgelöst.
„2017 endet, wie es anfing“, schrieb der Informationsdienst Axios. „Die Republikaner finden Trump doof, aber alle machen mit.“ Man müsse anerkennen, dass Trump 2017 nicht ohne Erfolg beende: „Messt ihn an dem, was er tut - nicht daran, was er sagt.“
Für die Steuersenkungen nehmen die Republikaner sogar in Kauf, die eh schon astronomischen Staatsschulden der USA nochmals aufzublähen. Die Reform werde sich selber finanzieren, indem sie die Wirtschaft massiv ankurbele. Löhne würden erhöht, Konsum und Fertigung gingen in die Höhe. Ökonomen bezweifeln das, weil es noch nie in einem solchen Umfang funktioniert hat. Mitch McConnell reklamierte dagegen Optimismus im Land und gute Wirtschaftszahlen als Erfolgsgaranten.
Trumps Sprecherin Sarah Sanders empfahl Skeptikern, bei der Bewertung des Gesetzes bitteschön den Analystenkopf aus der staubigen Blase Washingtons zu heben und hinaus zu blicken ins weite Land. Dort, so sei sie sicher, würden alle Amerikaner nun ganz ausschließlich profitieren. Das, so haben es US-Medien errechnet, wird auch die Familie des US-Präsidenten, und zwar nicht zu knapp.
„Trump hat geliefert“, sagte Sanders. „Und wir fangen gerade erst an.“ Das neue Jahr dürfte nicht langweiliger werden als 2017.