Erdogan-Kritiker Dündar „sehr enttäuscht“ von Merkel
Berlin (dpa) - Der ehemalige Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, hat die aus seiner Sicht zu regierungsfreundliche Türkei-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert.
„Sie hat nur darauf geachtet, dass ihre Beziehungen zur offiziellen Türkei nicht beschädigt werden“, sagte Dündar dem Sender 3sat. Hintergrund ist Merkels Kurs im Streit um die Armenien-Resolution des Bundestages und das Besuchsverbot für deutsche Politiker auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik. Der Journalist mahnte, Gespräche über militärische oder staatliche Interessen dürften nicht auf Kosten demokratischer Entwicklungen gehen. „Deswegen sind wir in der Türkei auch sehr enttäuscht.“
Die Türkei hatte den Besuch von Bundestagsabgeordneten in Incirlik über Wochen hinweg blockiert. Grund dafür war die Verärgerung über eine Armenien-Resolution des Bundestages. Darin hatte das Parlament die Massaker an den Armeniern 1915/16 erstmals als „Völkermord“ bezeichnet. Die Türkei wehrt sich massiv gegen solche Einstufungen. Nachdem die Bundesregierung die Resolution als rechtlich nicht verbindlich bezeichnet hatte, hob die türkische Seite das Besuchsverbot auf.
Dündar war nach dem Putschversuch in der Türkei als Chefredakteur der regierungskritischen „Cumhuriyet“ zurückgetreten. Er und der Hauptstadtbüroleiter der Zeitung, Erdem Gül, waren im Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sie wurden für schuldig befunden, geheime Dokumente veröffentlicht zu haben, die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollen.