„Es fehlt uns an allem“ - Nepal sorgte nicht vor

Kathmandu (dpa) - Prabhat Samphang sucht fieberhaft nach einer Zeltplane - und ein bisschen innerer Ruhe. Unter seinen Füßen bebte weiter die Erde, und von oben fielen große Regentropfen. In sein Haus in Nepals Hauptstadt Kathmandu traut er sich nicht zurück, aus Angst, es könnte einstürzen.

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„Jetzt soll ich 5000 Rupien (45 Euro) für eine Plane zahlen, obwohl sie doch nur ein paar Hundert Rupien kosten sollte“, sagt er. Der Schwarzmarkt boomt.

Sich vorher schon eine Plane besorgt hatte Samphang nicht - wie die meisten Nepalesen. Und das, obwohl ihr Land auf der Grenze zweier tektonischer Platten liegt und Seismologen seit Jahren vor einem riesigen Erdbeben warnten.

Auch einen Vorratsschrank mit Konservendosen, Schaufeln oder Wasserreinigungstabletten sucht man in nepalesischen Häusern meist vergeblich. Diese sind ohnehin oft aus einfachen Ziegeln oder schlechtem Beton gebaut - und damit extrem anfällig.

Und auch von der Regierung seines Landes bekam Samphang keine Plane. Beamte gestanden, sie seien nicht vorbereitet gewesen. „Es gibt keinen Zweifel: Es fehlt uns an allem“, sagt Laxmi Dhakal aus dem Innenministerium. Überall im Land gingen die Vorräte an Nahrungsmittel und Wasser zur Neige. „Die Regierung ist unter enormem Druck.“ Das meinte auch der Innenminister Bam Dev Gautam: „Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen“, sagt er.

Doch an vielen Orten können die Menschen nicht warten. Rajendra B.K. sagt, sein Heimatdorf Sindhukot im Distrikt Sindhupalchok sei komplett zerstört worden. „Die Regierung aber hat keine Rettungsmannschaften dorthin geschickt, also haben wir die Verletzten selbst nach Kathmandu gebracht“, sagt er. Sein Onkel sei in den Trümmern seines Hauses gestorben.

Die Regierung habe die Katastrophenvorsorge schon auf dem Schirm gehabt, sagen internationale Entwicklungshelfer. So wird in Nepal jährlich am 16. Januar der nationale Erdbeben-Sicherheits-Tag begangen. Dann gehen Nichtregierungsorganisationen und einige Beamte auf die Straße und verteilen Zettel, auf denen steht, dass man in einen Park rennen soll, wenn die Erde bebt. Aber wie man sich vorbereitet oder was danach geschehen soll - davon wussten die meisten Bewohner Nepals nichts.

Auch der einzige internationale Flughafen Nepals steht derzeit schlecht da, weil er Flüge mit Hilfsgütern zurückschicken muss. Ausreisewillige kommen nicht raus. „Wir arbeiten schon 12- bis 16-Stunden-Schichten“, sagte ein Fluglotse, der anonym bleiben wollte. „Der Flughafen hat einfach nicht die Kapazität, um so viele Passagiere abzufertigen.“ Oft drehten acht Flugzeuge über Nepal Kreise und warteten, endlich landen zu können.

Nepal habe sich über Vorsorge Gedanken gemacht, aber nicht vorgesorgt, resümiert Kunda Dixit, Journalist bei der Zeitung „Nepali Times“. Er hat ausführlich über Katastrophenmanagement und nachhaltige Entwicklung geschrieben. Schon zu normalen Zeiten habe Nepal - ein Land mit seit Jahren instabiler Regierung - nicht den ganzen Tag Strom gehabt. „Ein Desaster dieses Ausmaßes wäre für jede Regierung der Welt eine Herausforderung gewesen, besonders aber natürlich für ein armes, bergiges Land ohne große Ressourcen und kaum Straßen“, meint er.